Baukunst ist Ingenieurskunst

„Den Möglichkeiten sind nur durch unsere Vorstellungskraft Grenzen gesetzt. Denn was immer wir erträumen, können Ingenieure Wirklichkeit werden lassen.“ Sagt Roma Agrawal, Autorin des Buches „Die geheime Welt der Bauwerke“.

Warum U-Bahnschächte nicht einstürzen, Brücken halten, Straßen keine Kloaken mehr sind und Wolkenkratzer nicht schwingen wie Grashalme: das und vieles andere haben wir der Kunst der Ingenieure zu verdanken. Roma Agrawal hat darüber ein mitreißendes Buch geschrieben.

„Die geheime Welt der Bauwerke“ handelt davon, was Bauwerke im Innersten zusammenhält. Agrawals Ausführungen über Bauphysik, Statik und Konstruktion, über Zug- und Drucklasten, Reibung, Tragwerke, Pfahlgründungen und Schwingungstilger können auch Leser nachvollziehen, die normalerweise bei Physik, Mathematik und Technik vor allem Bahnhof verstehen. Auch das ist Kunst: Schreibkunst.

Bild: „The Shard“ von Jonathan. Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0

Roma Agrawal ist selbst Bauingenieurin, studierte Physikerin, Mitte 30, lebt und arbeitet in London. Sie hat eine Hängebrücke für Fußgänger über die Autobahn in Newcastle geplant, leidet an Höhenangst – und ist Spezialistin für Wolkenkratzer. So hat sie beispielsweise an dem mit 301 Metern zurzeit höchsten Bauwerk Westeuropas, dem Londoner Hochhaus The Shard, als Mitglied des Konstruktionsteams mitgebaut.

Londons Abwässer, römischer Beton, der perfekt proportionierte Ziegel

Ihr Buch ist eine so kenntnisreiche wie unterhaltsame Geschichte des Bauens, der ingenieurtechnischen Meisterleistungen von den Anfängen bis heute. Besonders charmant: die Gliederung nach Motiven, darunter Baumaterialien, Elemente, Bauaufgaben. So kann die Autorin frei zwischen Zeiten und Bauwerken umherwandern und erspart dem Leser eine einschläfernde Chronologie. Die Kapitel heißen zum Beispiel Ton, Wasser und Hohlraum. Oder Schmutz. Letzteres handelt davon, was unter unseren Füßen in unterirdischen Tunnelsystemen fließt: Fäkalien, Abwässer. Dabei geht es insbesondere um das Wohl und Wehe der Londoner Kanalisation. Noch im 19. Jahrhundert waren die hygienischen Zustände in der Stadt katastrophal – bis der Ingenieur Joseph Bazalgette kam und Abhilfe schaffte. Die von ihm und dem Architekten Charles Henry Driver geplanten Pumpenhäuser sind zudem „kathedralengleiche Meisterwerke der spätviktorianischen Baukunst“, befindet Agrawal. Heute ist es aufgrund neuer Herausforderungen mit dem Londoner Abwassersystem nicht zum Besten bestellt – doch die Ingenieure sind dran!

Faszinierendes begegnet auf Schritt und Tritt. Wir erfahren, dass bereits die bronzezeitliche Induskultur 2900 v. Chr. Bauten aus im Ofen gebackenen Ziegeln schuf. Und dass diese Ziegeln die perfekte Proportionen von 4:2:1 hatten – genau dieses Format wird auch heute verwendet. Oder die Kuppel des Pantheons: Sie besteht aus Tonnen antiken Betons.

Bild: Pantheon Rom. Lizenz: CC0 1.0

Denn es waren die Römer, die den Beton erfunden haben, mithilfe einer Asche aus der Umgebung des Vesuvs. Überhaupt, Beton! Wir erfahren, dass die Autorin ein Faible für dieses Material hat und dass sie es liebt, wenn ihre Hände darüber streichen. Und wie ein französischer Gärtner im 19. Jahrhundert den Stahlbeton erfunden hat. Wir lernen, welches seine bestechenden Vorteile sind. Und welches seine Nachteile: Die Fertigung von Stahlbeton ist ein großer CO2-Verursacher.

Wer nicht lesen will, kann hören

Das Buch ist inzwischen auch als Hörbuch erschienen, begleitet von einem Booklet mit liebenswerten Zeichnungen, die bauwissenschaftliche Grundprinzipien veranschaulichen. Ein Sachbuch über Bautechnik ausschließlich über das gesprochene Wort zu vermitteln: Diese Herausforderung meistert die Sprecherin Luise Helm exzellent. Sie spricht den Text frisch, perfekt intoniert und in einem animierenden Tempo. So kann man fasziniert zuhören und gut folgen. Wer also keine Zeit zum Lesen hat, der kann das Buch hören, beim Autofahren, beim Wohnungputzen – oder beim Brückenbauen.

 

Verlag

Buch:
Carl Hanser Verlag, München 2018
ISBN 9783446260306
Gebunden, 352 Seiten, 24,00 EUR

Hörbuch:
speak low (Verlag), 2019
978-3-940018-57-1 (ISBN)

Antoni Gaudí – Meister der Statik und der Form

Teil 14 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Antoni Gaudí i Cornet
*25. Juni 1852
†10. Juni 1926
Katalanischer Architekt

Er selbst hat die Bauzeit auf zwei Jahrhunderte veranschlagt. Und über 40 Jahre daran gearbeitet. Die Kirche „La Sagrada Familia“ in Barcelona ist das monumentale unvollendete Hauptwerk Antoni Gaudís. 1883 hatte er die Arbeit an der Kathedrale übernommen, bis heute wird unverdrossen daran weitergebaut. Millionen von Touristen besuchen jährlich die spanische Großbaustelle. Auf der Welterbeliste der Unesco stehen inzwischen sieben Gebäude Gaudís, darunter neben Teilen der Sagrada Familia die Casa Mila, der Park Güell und die Casa Vicens.

Zur Welt kam Antoni Gaudí i Cornet 1852 in der katalanischen Stadt Reus. Hineingeboren in eine Kesselschmiederfamilie, entwickelte er früh ein Verständnis für Raum und Volumen. Und da er als kränkliches Kind oft zuhause war, verbrachte er viel Zeit damit, die Natur zu beobachten. Sie wurde zur großen Lehrmeisterin des späteren Architekten.

Genial oder verrückt?
Schon mit dem jungen Architekturstudenten muss es etwas Besonderes auf sich gehabt haben: Nur die Zeit könne sagen, ob der frisch gebackene Absolvent Antoni Gaudí ein Genie oder ein Verrückter sei, bemerkte Elies Rogent, Direktor der Architekturschule in Barcelona. Gaudí hatte nun, im Jahr 1872, das Architektendiplom. Und lernte Eusebi Güell kennen, einen katalanischen Industriellen, der zum wichtigen Auftraggeber und bedingungslosen Förderer Gaudís wurde. Ein Meisterwerk nach dem anderen entstand, vorwiegend in Barcelona: das Haus Vicens, die Sagrada Familia, der Palast Güell, die Krypta der Arbeitersiedlung seines Mäzens Güell, der Torre Bellesguard, die Casa Battló, die Casa Mila, die Restauration der Kathedrale von Mallorca, der Park Güell.

Gebäude wie Skulpturen
In seinen Werken griff Gaudí Trends seiner Zeit auf: die „Renaixanca“, eine Bewegung, die sich am katalanischen Mittelalter orientierte, den Modernisme als katalanische Form des Jugendstils, die Orientierung an der Natur – und ging doch über all das hinaus. Schuf Werke mit singulärem Charakter, errichtete Aufsehen erregende Häuser, die die Barceloner mit Spitznamen wie „Die Pastete“ oder „Der Steinbruch“ versahen. Gaudí behandelte seine Gebäude wie Skulpturen, baute biomorphe Fassaden, formte den Baukörper organisch. Er erfand einzigartige Formen und bautechnische Lösungen, erprobte neue statische Möglichkeiten: Zum Beispiel ein Eisenträgerstützsystem, das die Wände von Tragefunktionen befreite und flexibler machte. Oder das katalanische Gewölbe, ein Ziegelleichtgewölbe, das auf natürliche Weise stabil und tragstrukturell sehr effizient ist und ohne die Verwendung aufwendiger Schalungskonstruktionen auskommt.
Skizzen waren eher seine Sache als exakte Baupläne, vieles entwickelte er erst im „Doing“ auf der Baustelle. Gestalterisch verwendete er auch Keramikscherben und Glasbruch umliegender Fabriken oder vielfarbige Steine, die vor Ort auffindbar waren – heute fiele das unter den viel beschworenen Begriff der Nachhaltigkeit. Da für Gaudí ein Bauwerk ein einheitliches und künstlerisches Ganzes war, ging seine schöpferische Energie bis in die Details; auch Möbel, schmiedeeiserne Gitter oder Leuchter entwarf er gleich mit.

Unendliche Geschichte: Die Sagrada Familia
Im Kontext der sie umgebenden Landschaft konzipiert, mit 18 Kirchtürmen und einem mit 172,5 Metern höchsten Kirchturm der Welt: Seit 1883 arbeitete Gaudí bis zu seinem Tod an der Sagrada Familia, die letzten zwölf Jahre seines Lebens widmete er nur ihr. Schließlich lebte und schlief er sogar auf der Baustelle, in einem kleinen Raum, der unter anderem als Lager für Modelle, Entwürfe und Plastiken diente. Bis er 1926 von einer Straßenbahn angefahren wurde. Ein Stück weit wurde er mitgeschleift, lag schließlich schwer verletzt auf der Straße. Aufgrund seiner vernachlässigten äußeren Erscheinung und ohne Papiere unterwegs, erkannte man den berühmten Sohn der Stadt nicht und lieferte „den Bettler“ in ein Armenhospital ein. Einige Tage später starb der 73-Jährige an seinen Verletzungen. Inzwischen wusste man, um wen es sich bei dem Unfallopfer handelte – und am Ende zog ein großer Trauerzug vom Krankenhaus bis zur Sagrada Familia. Hier wurde Antoni Gaudí in der Krypta beigesetzt, die bis heute der einzige fertiggestellte Raum der Kathedrale ist.
Die Sagrada Familia: Wann wird sie vollendet sein? In 10, 50 oder 100 Jahren? Wird sie es überhaupt jemals sein? Zu hören ist, dass man sie bis zu Gaudís 100stem Todestag fertig gebaut haben will. 2026 also. Dann wäre sie 56 Jahre schneller fertig, als ihr Schöpfer es vorhergesagt hatte.

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Wien – nachhaltige Lebensqualität

Das nächste Projektmeeting Office 21 des Fraunhofer IAO vom 23. Bis 25. Oktober führt uns in die lebenswerteste Stadt der Welt: Wien. Bereits zum achten Mal in Folge hat es die 1,8 Millionen Metropole zu dieser Auszeichnung durch „Mercer“ geschafft. Und im Sustainable City Index von Arcadis belegt sie Platz 4.

Bild: „Schloss Schönbrunn“ von jpeter2. Lizenz: Pixabay

Der Lebenswert spiegelt sich schon in der Vielzahl an visuellen, musikalischen, kulinarischen, historischen, kulturellen und wissenschaftlichen Assoziationen, die einem zu Wien einfallen und einen wahren Sinnesrausch im Kopf entstehen lassen: Musik von Mozart oder Mahler bis zum Donauwalzer, Architektur von der Hofburg und Schloss Schönbrunn bis zum Secessionsgebäude, vom Stephansdom bis zu Hundertwasserviertel, Ringstraßenpalais oder UNO-City, Kulinarik vom Schnitzel bis zum Kaiserschmarrn, vom Heurigen bis zum Apfelstrudel, Kultur vom Burgtheater bis zur Staatsoper, donaumonarchische Kultstätten wie die Kapuzinergruft, die Sissi-Gemächer oder die Spanische Hofreitschule, Vergnügungsorte wie der Wienerwald, Grinzing oder der Prater mit dem weltberühmten Riesenrad, Literatur von Hofmannsthal, Nestroy oder Schnitzler, Sigmund Freuds und Alfred Adlers Psychoanalyse und legendäre Events wie der Opernball oder das Neujahrskonzert der Wiener Symphoniker. Wien ist mehr als eine Stadt: Wien ist ein Lebensgefühl.

Bei aller Liebe zu den gesammelten „Sachertorte an der schönen blauen Donau“-Visionen sollte man Wien nicht nur als einen Ort mit über 4000-jähriger Geschichte und entsprechendem Traditionsreichtum schätzen. Wien war immer auch ein Ort der Innovationen, der in seinen Blütezeiten künstlerisch, gesellschaftlich, wissenschaftlich und architektonisch Zukunftweisendes hervorgebracht hat.

Erste Siedlungen lassen sich bereits in der Altsteinzeit nachweisen – bereits damals wurden übrigens Knödel gegessen, wie archäologische Funde zeigen. Eine erste Blütezeit erlebte Wien nach seiner Erhebung zur Residenzstadt 1172. 1358 wurde hier nach Prag die zweite Universität im deutschsprachigen Raum gegründet. (Heute verteilen sich über 18.000 Studierende auf neun Universitäten, mehrere Fachhochschulen und fünf private Universitäten. Damit ist Wien die größte Universitätsstadt der DACH-Region.)

Aus dem 14. Jahrhundert stammen auch die gotischen Teile des Stephansdoms, bis heute Wiens Wahrzeichen. Nach den Türkenbelagerungen im 16. und 17.

Bild: „Schloss Belvedere“ von Anemone123. Lizenz: Pixabay

Jahrhundert erlebte Wien eine Hochzeit, in der viele bekannte Gebäude entstanden, wie etwa das Belvedere, die Karlskirche, das Palais Schwarzenberg, die Hofbibliothek oder die Winterreitschule. Unter der Herrschaft von Kaiserin Maria-Theresia (ab 1740) fand in Wien die sogenannte Reformperiode statt; Krankenhäuser wurden erbaut und der Prater für die Bevölkerung geöffnet. Gloriette und Schloss Schönbrunn stammen ebenfalls aus dieser barocken Phase.

In der Biedermeierzeit Anfang des 19. Jahrhunderts, nach dem Wiener Kongress 1814, entwickelte sich die Kaffeehaus- und Heurigenkultur, begleitet von Theater- und Walzerbegeisterung.

Bild: „Rathaus Wien“ von Photosforyou. Lizenz: Pixabay

Gründerzeit und Ringstraßenarchitektur

Prägend für das heutige Stadtbild war jedoch die Gründerzeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, für die die Ringstraßenarchitektur charakteristisch ist. Auf der gesamten Strecke von 5,3 Kilometern verteilen sich hier zahlreiche monumentale Bauten. Besonders die Staatsoper im Stil der Neorenaissance oder das Kunsthistorische Museum, das zu den größten und bekanntesten Museen der Welt zählt, sind hier zu nennen. Auch das neogotische Wiener Rathaus sowie das neobarocke Burgtheater sind beeindruckend. Geprägt wurde der pluralistisch-historisierende Stil der Ringstraße von bekannten Architekten wie Theophil von Hansen, Karl Freiherr von Hasenauer, Gottfried Semper und Friedrich von Schmidt.

Fin du siècle und Aufbruch ins 20. Jahrhundert

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Wien eine neue Strömung: der Jugendstil. Die Gebäude Otto Wagners, eines Vertreters der geometrischen Variante des Jugendstils, prägen das Stadtbild bis heute: zum Beispiel die Stationen, Geländer und Brücken der ehemaligen Stadtbahnen, die Kirche am Steinhof oder die Postsparkasse.

Als eines der faszinierendsten Jugendstil-Gebäude gilt die Wiener Secession mit ihren goldenen, floralen Ornamenten. Joseph Maria Olbrich erbaute sie 1898 als erstes Ausstellungsgebäude Mitteleuropas, das sich ausschließlich der Kunst widmete.

Wien in der Gegenwart

Da Wien die Weltkriege vergleichsweise glimpflich überstanden hat, findet sich hier bis heute eine unglaubliche Stilvielfalt, die sich zu einem einzigartigen Ganzen verbindet und mit innovativer Gegenwartsarchitektur verschmilzt.

In den 1970er Jahren entstand die UNO-City. In den 1980ern sorgte Friedensreich Hundertwasser mit dem Hundertwasserhaus, dem Kunst Haus Wien und der Müllverbrennungsanlage Spittelau für Aufmerksamkeit. Seine bunten Bauten, die schöpferische Freiheit und den Einklang mit der Natur verkörpern, ziehen zahlreiche Touristen an.

Seit den 90er Jahren ist Donau-City das größte Stadtentwicklungsprojekt Wiens. Heute ist sie mit viel Glas, Stahl und Beton der modernste Teil der Stadt und die Skyline wächst stetig. Zahlreiche Türme erreichen eine Höhe von über 100 Meter. Und auch das größte Gebäude Wiens steht hier: Der 220 Meter hohe DC Tower 1 von Stararchitekt Dominique Perrault. Bei der Planung neuer Gebäude und Hochhäuser behält man jedoch den Schutz der historischen Bausubstanz im Auge.

Gegenwärtig entstehen neue Wohn- und Büroviertel auf den Flächen rund um den Hauptbahnhof und den Nordbahnhof, die wir bei unserer Exkursion anlässlich des Projektmeetings Office 21 näher unter betrachten werden – ebenso wie die einzigartige Online-Einbindung der Bürger in die Planung neuer Entwicklungsprojekte.

Arata Isozaki – Der Meister des „Ma“

Teil 13 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Arata Isozaki
* 23. Juli 1931
Japanischer Architekt

„Ein Weiser, der baut wie ein Kind“ – titelte die Süddeutsche Zeitung im März 2019 und meint, der Pritzker-Preis für Arata Isozaki sei längst überfällig gewesen. Wodurch zeichnet sich der japanische Star-Architekt und nun auch Träger des wichtigsten Architekturpreises aus?

Geboren am 23. Juli 1931 auf der Insel Kyūshū im Südwesten Japans machte Isozaki schon früh seine ersten Erfahrungen mit der Architektur: Es war das Fehlen eben dieser. Durch die Zerstörung Hiroshimas, nahe seines Geburtsortes, lagen Wohnungen, Häuser, Existenzen, ja eine ganze Stadt in Schutt und Asche. Diese Erfahrung trug dazu bei, dass Isozaki sein individuelle Herangehensweise an die Architektur entwickelte, für die er 2019 den Pritzker-Preis erhielt.

Seine Bauten trotzen den „stilistischen Kategorien“, begründete die Jury rund um Benedetta Tagliabue, Wang Shu, Richard Rogers und Kazuyo Sejima ihre Entscheidung. Arata Isozaki sei ein vielseitiger, maßgebender und wahrhaft internationaler Architekt, der sich nicht vor Veränderungen fürchte und immer wieder neue Ideen ausprobiere. „Auf seiner Suche nach sinnvoller Architektur hat er Gebäude von hoher Qualität erschaffen, die bis heute Kategorisierungen trotzen, die Entwicklung widerspiegeln und immer frisch in ihrer Herangehensweise sind.“ Er gelte als Visionär seiner Generation.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kenz%C5%8D_Tange#/media/Datei:Kenzo_Tange_1981.jpg

Bild: „Kenzo Tange 1981“ von Dutch National Archives. Lizenz: CC BY-SA 3.0 NL

Unter den bisherigen Pritzker-Preisträgern  ist auch Kenzō Tange zu finden. Dessen Klasse besuchte Isozaki während seines Studiums der Architektur an der Universität Tokyo in den 50er Jahren. 1961 schloss er das Studium mit einer Promotion ab und war bis 1963 in Tanges Büro tätig, bevor er sich in Tokio selbstständig machte. Doch Isozaki und Tange verband noch  mehr als die Studienzeit: Noch bevor Isozaki  mit dem Bauen eigener Werke begann, reisten sie gemeinsam um die Welt, besuchten Metropolen und versteckte Dörfer, um die Kulturen der verschiedenen Kontinente zu erleben und zu verstehen. Durch die Aufnahme und Vereinnahmung internationaler Trends prägte er nicht nur seinen eigenen Baustil, sondern auch die zeitgenössische Architektur Japans.

„Ma“ – das Konzept des negativen Raumes

Bei seinen Planungen und Bauten kommt dem „Ma“, dem abstrakten japanischen Konzept des negativen Raums, große Bedeutung zu. . „Ma“ bedeutet „Zwischenraum“, „Pause“ oder „Distanz“ und ist ein abstraktes Konzept der japanischen Kultur. Für Isozaki ist das „Ma“ als Leere, als lichtdurchfluteter Raum der eigentliche Inhalt des Gebäudes. Somit steht der Raum im Mittelpunkt – nicht das Gebäude außen herum. Es sind nicht Wände und Dach, die ein Gebäude ausmachen, sondern der Raum, den sie umschließen.

Bild: „The Museum of Contemporary Art“ von Dietmar Rabich. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die Werke – nah am Menschen und immer wieder anders

Seit den 80er Jahren exportiert Isozaki das japanische Design nach Europa und in die USA. Sein erster internationaler Auftrag, und gleichzeitig sein weltweit bekanntestes Werk, war das Museum of Contemporary Art in Los Angeles. Die Inspiration dazu bekam er von Indiens Sandsteingebäuden. Er entwarf mehrere Konzertsäle und Museen sowie den Ceramic Park Mino Gifu in Japan, das Olympia Stadion Palau Sant Jordi in Barcelona, die Eishockey-Arena in Turin und den Allianz-Turm in Mailand. Auch die Daimler-Benz-Hochhäuser gehen auf seine Entwürfe zurück.

Kurz nach dem Tsunami in Ostjapan in 2011, entwickelte er gemeinsam mit Anish Kapoor die „Ark Nova“ – ein mobiles Konzerthaus für die Erdbebenregion. Es kann auf einem Lastwagen transportiert werden und brachte den Verzweifelten vor Ort Musik und Hoffnung.

Der Architekt ohne erkennbare Stilrichtung

Die Auszeichnung des Pritzker-Preises ging in diesem Jahr an einen Mann, dessen Bauten und Werke man nicht auf den ersten Blick zuordnen kann: „Meine Freude ist es, immer etwas Anderes zu entwerfen, nicht immer das Gleiche“, sagte der Star-Architekt einmal, der sich immer wieder offen ist für neue Inspirationen. Ursprünglich ein Hauptvertreter des Metabolismus entdeckte er dann die Geometrie des japanischen Designs oder orientierte sich an Claude-Nicolas Ledoux und Karl Friedrich Schinkel. Durch seine dritte Frau bekam Isozaki Verbindungen zu prominenten Vertretern der Modernen Kunst, wie Hans Richter, Man Ray und Friedrich Kiesler – sie alle beeinflussten ihn und sein Schaffen. Mit seinen Werken verbindet er Kulturen und schlägt Brücken. Er spielt mit Licht und Schatten und nutzt einfache geometrische Formen.

„Die Auszeichnung […] ist deshalb nicht die Würdigung einer Ästhetik, sondern einer schöpferischen Klugheit, die Richtig und Falsch vermeidet für das Unbestimmte dazwischen.“ – Till Briegleb, Süddeutsche Zeitung.

Sir Norman Foster – Der Architekt der Superlative

Teil 12 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Sir Norman Foster
* 1. Juni 1935
Britischer Architekt

Der Commerzbank-Tower in Frankfurt, die Kuppel des Bundestages in Berlin, der Hongkong International Airport Check Lap Kok, der Apple Park in Cupertino oder zahlreiche Apple Flagship Stores – diese und viele andere weithin bekannte Gebäude stammen vom selben Ausnahme-Architekten: Sir Norman Foster.

Neben dem Ritterschlag durch die Queen im Jahr 1990 erhielt er zahlreiche weitere renommierte Preise und Auszeichnungen, unter anderem das „Große Bundesverdienstkreuz mit Stern“; er gehört dem „Pour le mérit Orden“ an, ist Mitglied der „Akademie der Künste“ und trägt den Titel eines „Life Peer“, wodurch er den klingenden Titel „Baron Foster of Thames Bank“ tragen darf. Zweifellos gehört er bis heute zu den gefragtesten Planern weltweit.
Der Sohn einer Arbeiterfamilie kam am 1. Juni 1935 in Manchester zur Welt. Schon in jungen Jahren war seine Leidenschaft für die Architektur erkennbar. Sein Architekturstudium an der School of Architecture and City Planing der Manchester University schloss er 1961 ab und erhielt ein Stipendium an der Yale School of Architecture in New Heaven, wo er mit dem Master’s degree abschloss. Im Anschluss gründete er mit seiner damaligen Frau Wendy und dem Ehepaar Sue und Richard Rogers das Architekturbüro „Team 4“, aus dem 1967 das heutige Büro „Foster + Partners“ hervorging. Mit seinem High-Tech-Stil und scharfkantiger Modernität prägte er die britische Architektur der Gegenwart und setzte weltweit Akzente. Auch in Deutschland entwarf er eine Reihe von Gebäuden. Überdies fühlte er sich mit Persönlichkeiten der deutschen Architektur- und Designszene verbunden, wie zum Beispiel Ludwig Leo oder Otl Aicher.

Bild: Millau Viadukt von Erik Lyngsoe. Lizenz: Pixabay

Ein Planer der Superlative
Als ein Meilenstein in seiner Karriere gilt der Entwurf der Hauptverwaltung der „Hongkong and Shanghai Banking Corporation“ in Hongkong. Bei der Eröffnung 1985 war der Tower das teuerste Hochhaus der Welt – mit fast 700 Millionen Euro Baukosten.

Übrigens keineswegs der einzige Rekord, den Norman Foster aufstellte: Der Commerzbank-Tower in Frankfurt am Main ist Deutschlands höchstes Hochhaus, das Viadukt in Millau in Frankreich ist die höchste Brücke der Welt, der Apple Park in Cupertino zählt zu den größten Bürogebäuden der Welt. Ungeachet dessen stellt er bei seinen Entwürfen den Menschen in den Mittelpunkt und richtet die Gebäude nach ihm aus. So wird er auch als der „grüne“ Foster bezeichnet. Sowohl „The Gherkin“ in London als auch der Commerzbank-Tower sind für ihre ökologische Bauweise mehrfach ausgezeichnet. Ihre Fassaden ermöglichen eine natürliche Lüftung und Klimatisierung der Gebäude. Bis heute zeichnen sich seine Objekte durch seine Faszination für innovative Technik, leichte Tragwerke und Eleganz aus.

Bild: The Gherkin von pierre9x6. Lizenz: Pixabay

Kein Ende in Sicht
Eines seiner derzeit wohl spektakulärsten Projekte ist die Planung des „Tulip Tower“ in London, direkt neben „The Gherkin“. Das 305 Meter hohe Gebäude ähnelt einer geschlossenen Tulpe und wird der zweitgrößte Wolkenkratzer der Stadt. Er bietet Platz für Büros, Wohnungen und Bars – und soll 2025 fertiggestellt sein.
Ein weiteres Projekt beschäftigt seit Anfang des Jahres Foster und die Öffentlichkeit. Für JP Morgan plant er in New York mit 360 Metern einen der größten Türme der Stadt als neues Headquarter. Doch dazu müsste zunächst das bisherige abgerissenen werden: die legendäre „270 Park“ aus der Nachkriegsmoderne. Der Abriss wäre der größte in der Geschichte New Yorks.

Der Mann hinter den Wolkenkratzern
Einen Blick auf den Menschen, der hinter dieser ungebrochenen Gestaltungsenergie steckt, eröffnet sein Instagram-Account, der mit 462.000 Followern mit so einigen „großen Influencern“ mithalten kann. Er eröffnet ästhetische Blicke hinter die Kulissen, private Schnappschüsse, einen Visionär, kulinarische Spezialitäten, Sport – der Mann hinter den Monumentalbauten ist neugierig, hat ein Auge fürs Detail, liebt Oldtimer und seine Hunde. Und deshalb ist es wenig verwunderlich, dass Foster hin und wieder auch Wohnhäuser errichtet – natürlich immer mit einem innovativen Kick. So baute er in Lüdenscheid eine Privatvilla ohne Treppen. Die zwei Ebenen sind lediglich durch vier Rampen verbunden.

København – Bauen und leben mit Hygge-Faktor

Das nächste Projektmeeting Office 21 des Fraunhofer IAO vom 3. Juli bis 5. Juli führt uns in das weltoffene Kopenhagen. Doch was genau erwartet uns in der dänischen Hauptstadt? Und warum sind die Menschen hier laut „World Happiness Report“ die glücklichsten der Welt?

Kopenhagen ist nicht nur das ökonomische, kulturelle und politische Zentrum Dänemarks; die Hafenstadt am Øresund ist auch bekannt für ihre hohe Lebensqualität. Aktuell leben rund  1,2 Millionen Menschen in der Hauptstadtregion und die Einwohnerzahl wächst jährlich. Kopenhagen gilt als ein Ort, der durchdrungen ist von dem auch als „Hygge“ bezeichneten heimeligen Lebensgefühl der Dänen, weshalb die Kopenhagener ihre Heimatstadt gerne als „Europas gemütlichste Hauptstadt“ bezeichnen. Gleichzeitig bietet Kopenhagen neben seinen kulinarischen Highlights eine Vielzahl weltberühmter Sehenswürdigkeiten ­– von der kleinen Meerjungfrau, dem Wahrzeichen der Stadt, über den zweitältesten Vergnügungspark der Welt und allein vier Königsschlösser mitten in der Stadt bis hin zu der über einen Kilometer langen Fußgängerzone „Strøget“.

Ein Stadt, die alt und neu vereint

Copyright: Jacob Schjørring & Simon Lau. Lizenz: Copenhagen Media Center

Auch das Stadtbild Kopenhagens mit seinen zahlreichen Grünflächen und dem gesunden Mix aus historischer und modernster Architektur  unterstreicht den Charme der nordeuropäischen Metropole. Hier vereinen sich Wohn- und Geschäftshäuser aus dem Klassizismus sowie elegante Jungstilbauten mit inspirierenden zeitgenössischen Bauten wie dem 2008 eröffneten Schauspielhaus oder der 2005 eröffneten königlichen Oper und mit aktuellen Neubauprojekten am Wasser zu einem harmonischen Ganzen. Es heißt, dass der Fokus bei jedem Kopenhagener Neubauprojekt darauf liegt, eine Stadt zu bauen und nicht ein „einzelnes Gebäude“. Deshalb werden auch die Bürger mit in die Stadtentwicklung eingebunden.

Beim Thema Bauen zeigt sich zudem das ökologische Bewusstsein der „Fahrrad-Hauptstadt“. Bis 2025 möchte Kopenhagen als erste Stadt CO2-neutral sein. Mit zukunftsweisenden Projekten wie dem 2009 umgesetzten „Green Lighthouse“, ein CO2-neutrales Universitätsgebäude, setzt die Stadt grüne Zeichen und möchte Nachhaltigkeitszertifizierungen bei Neubauten in diesem Rahmen zum Standard machen. Zudem halten Kopenhagen und seine Bewohner den Energieverbrauch möglichst gering und setzen auf Recycling. Auch in Sachen Mobilität nimmt Kopenhagen eine Vorreiterrolle ein: Der Nahverkehr sowie alle Orte des täglichen Lebens sind fußläufig oder mit dem Fahrrad jederzeit gut erreichbar.

Eine Stadt, die sich ausdehnt

Kopenhagen wächst und setzt dabei auf alte Industrieflächen und auf die Umnutzung ihrer künstlich angelegten Inseln. Letztere werden immer häufiger zu Wohnvierteln umgebaut. So zum Beispiel Sluseholmen: Die Insel wurde früher ausschließlich von der Schwerindustrie genutzt. Ihr Wahrzeichen ist das 40 Meter hohe Wohngebäude „Metropolis“, ein beliebtes Ziel bei Stadttouren durch Kopenhagen. Je nach Bedarf kann es noch um rund 20 Meter aufgestockt werden.

Ørestad. Copyright: Martin Heiberg. Lizenz: Copenhagen Media Center

Ein weiteres Highlight ist die südliche Insel Amager. In weniger als zehn Jahren entstand hier auf rund 310 Hektar das Stadtviertel Ørestad, eine Art Kleinstadt, die sich in vier Funktionsbereiche gliedert: Im Norden konzentriert man sich auf Medien und Ausbildung, im Süden auf Wohnen und in den anderen beiden Bereichen auf Natur und Gewerbe. Erstmalig wurde eine Verkehrsinfrastruktur errichtet, noch bevor mit dem Wohnungsbau begonnen wurde. Auf Stelzen führt die Trasse der Metro quer durch das Viertel und verbindet den Bahnhof Ørestad mit dem Kopenhagener Stadtzentrum.

Nordhavn. Copyright: Martin Heiberg. Lizenz: Copenhagen Media Center

Das derzeit größte und ambitionierteste Stadtentwicklungsprojekt in ganz Skandinavien ist aber wohl Nordhavn, wo einmal 40.000 Menschen naturnah und dennoch in der Nähe des Stadtzentrums wohnen und arbeiten sollen. Die Vision: ein Paradigma zu schaffen für eine nachhaltige Stadtentwicklung der Zukunft. Der neue Stadtbezirk steht für kurze Wege, in der alle wichtigen Infrastruktureinrichtungen innerhalb von fünf Minuten erreichbar sind. Eine Hochbahn soll Nordhavn mit der Innenstadt verbinden. Deren Trasse dient dabei gleichzeitig als Dach von Fahrradwegen. Aber dies ist nur eines von vielen nachhaltigen Details, die das Jahrhundertprojekt auszeichnen.

Wir sind jedenfalls gespannt auf das Projektmeeting Office 21 im facettenreichen Kopenhagen und freuen uns auf interessante Einblicke.