„Turmvater Jahn“ – der Mann hinter dem Frankfurter Messeturm

Der große „Bleistift“ im Frankfurter Westend erlangte als eines der größten Bürogebäude Europas Berühmtheit. Das Foyer des Messeturms soll nun umgebaut werden – vom Turmvater persönlich. Hier ein Porträt des kreativen Kopfes.

Seit fast 30 Jahren dominiert der Messeturm die Frankfurter Skyline. Das Gebäude aus Stahl, Beton und seiner Granitfassade gilt bei den Frankfurtern bereits als Wahrzeichen und hat als einziges Gebäude Deutschlands eine eigene Postleitzahl (60308). Helmut Jahns Hochhäuser und Monumentalbauten orientieren sich an der klassischen Moderne und zeichnen sich aus durch ihre Funktionalität.

Jahn, der in Chicago lebt und in Zirndorf bei Nürnberg geboren wurde, verschrieb sich schon in jungen Jahren der Architektur. Nach einem Studium der Architektur an der TU München schloss er ein Postgraduiertenstudium in Chicago an. Dort lernte er auch Ludwig Mies van der Rohe kennen.  Anschließend trat er in das Architekturbüro C.F. Murphy & Associates ein, dessen Leitung er später übernahm und das noch heute als Murphy/Jahn firmiert. Als international renommierter Architekt lehrte er zudem an den Universitäten Yale und Harvard.

Monumentale Landmarks auf der ganzen Welt

Seit über 35 Jahren entwirft er weltweit aufsehenerregende Gebäude. Ein Beispiel ist die Kemper Arena, eine Multifunktionshalle in Kansas City. Das Gebäude kommt ganz ohne sichtraubende Säulen im Inneren aus – das galt in den 70ern als revolutionär. Zu Jahns Werken zählt eine Reihe weiterer Bauten, die eine wegweisende Bedeutung für die Gegenwartsarchitektur besitzen. Neben dem Sony Center in Berlin, dem Flughafen München sowie Hochhäusern, Schulen, Sportstadien und Hotels auf der ganzen Welt reiht sich auch der Frankfurter Messeturm ein. Der 256 Meter große Turm mit seiner braunen Vorhängefassade aus Glas und Granit ragt als Pyramide in die Wolken. Für ihn hat Helmut Jahn besondere internationale Anerkennung erhalten.

Fresh-up für eine Ikone

In einem Interview mit der F.A.Z sagte Jahn: „Ein Mensch reift mit dem Alter, ein Bauwerk auch. Erst mit zeitlichem Abstand kann man die Qualität eines Gebäudes beurteilen. Der Messeturm ist immer besser geworden, je mehr andere Gebäude gebaut wurden. Er hebt sich ab und hat unverwechselbare, ikonische Bedeutung.“ Jahn entwickelt sich nach eigener Aussage gern weiter und lässt seine Erfahrungen aus vergangenen Bauten in neue Arbeiten mit einfließen. Dementsprechend darf man gespannt sein auf die von ihm geplante Modernisierung von Lobby, Sockel und Untergeschoss des Messeturms. Das Foyer soll dadurch um ca. 600 Quadratmeter vergrößert werden, leichter und moderner wirken und Platz bieten für Café und Wasserfall.

Die Umbauarbeiten mit geschätzten Investitionskosten von 100 Million Euro  sollen Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Alle Informationen rund um den Umbau des Messeturms lesen Sie hier.

Margarete Schütte-Lihotzky – die Erfinderin der Einbauküche

Teil 10 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Margarete Schütte-Lihotzky
1897 – 2000
Österreichische Architektin

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges lebten in den Wiener Arbeiterwohnungen sieben bis acht Personen auf engstem Raum unter schwierigsten sanitären Verhältnissen zusammen. Als die 20 Jahre junge Architekturstudentin Margarete Lihotzky zu Studienzwecken diese Verhältnisse erlebt, erhält sie den Impuls für ihren zukünftigen beruflichen Schwerpunkt: die soziale Architektur.

Margarete Lihotzky wurde am 23. Januar 1897 in Wien als zweite Tochter einer Beamtenfamilie geboren. Sie studierte an der heutigen Universität für angewandte Kunst in Wien als eine der ersten Frauen Architektur und Baukonstruktionslehre. Für sie bestand Architektur aus dem Reiz der Verbindung von gesellschaftlich-sozialen, technisch-wissenschaftlichen und künstlerischen Herausforderungen. Bereits mit 22 Jahren gewann sie einen Preis für ein Arbeiterwohnungsprojekt. Damit begann ihre Karriere als Bauplanerin: Im Anschluss an ihr Studium wurde sie ins Städtische Siedlungsamt gerufen, wo sie unter dem Chefarchitekten Alfred Loos erste Projekte umsetzte. Dazu gehörte beispielsweise die „Siedlerhütte“, die unter perfekter Raumausnutzung als Unterkunft für die vielen Flüchtlingsfamilien nach Ende des ersten Weltkrieges dienen sollte. Die raumeffizienten Behausungen halfen auch dabei, die vielen obdachlosen Arbeiter, die vom Land in die Stadt gezogen waren, unterzubringen, so dass sich die Wohnungsnot in Wien langsam verbesserte.

Dem Massenwohnungsbau widmete sich Margarete Lihotzky danach in Frankfurt, wo sie nach dem Tod ihrer Eltern im Jahr 1926 hinzog und ihren Mann, den Architekten Wilhelm Schütte, kennenlernte. Hier entwickelte sie neben vorproduzierten Möbeln für den Stadtplaner Ernst May die Frankfurter Küche.

Frankfurter Küche – die Revolution für die Hausfrau

Das erste Modell der Frankfurter Küche, dem Urtyp der Einbauküche, entwickelte Schütte-Lihotzky 1926 und erregte damit großes Aufsehen in der Architektenwelt. Alle wichtigen Dinge sollten mit einem Handgriff erreichbar sein, eine Vielzahl von Gerätschaften die Arbeitsgänge verkürzen. Das Ziel: Die Arbeitsabläufe zu optimieren, dass der Hausfrau mehr Zeit für die Familie bleibt. Das Design war schlicht und funktional, sichtbare Holzteile wurden blau-grün gestrichen, da diese Farben die Fliegen fernhalten sollten. Viele Elemente ließen sich herunterklappen oder hervorziehen, je nach Tätigkeit in der Küche.

Die Einzelteile waren modular konzipiert, so dass die Küche in großen Mengen kostengünstig und bezahlbar auch für Arbeiterfamilien produziert werden konnte. Während des Frankfurter Wohnungsbauprogramms Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre wurde so gut wie jede neugebaute Gemeindewohnung mit dieser Küche ausgestattet, insgesamt etwa 10.000.

Vom Schulenbau bis zum Widerstand

Da sich Ende der 20er Jahre die politische Situation in Deutschland für die Kommunistin Margarete Schütte-Lihotzky deutlich verschlechterte, nahmen sie und ihr Mann das Angebot von Ernst May an, ihn in die Sowjetunion zu begleiten. Auch dort kamen ihre Fähigkeiten im Bereich des sozialen Wohnbaus zum Einsatz, zum Beispiel bei der Planung der Industriestadt Magnitogorsk. Bis 1937 konnte sie dort Kindergärten und Schulen planen und bauen. Danach fand das Paar über Umwege nach Istanbul, wo sich Margarete Schütte-Lihotzky dem österreichischen Widerstand anschloss. Verraten, wochenlang verhört und schließlich als Hochverräterin verurteilt, musste sie drei Jahre in einem Frauengefängnis in Bayern ausharren, bevor sie 1945 von den Amerikanern befreit wurde.

Nach dem Krieg kehrte Grete Schütte-Lihotzky mit ihrem Mann nach Wien zurück, erhielt als Anhängerin der Kommunistischen Partei aber kaum öffentliche Aufträge. Dafür engagierte sie sich in Ländern wie China, der DDR oder Kuba in der Friedens- und Frauenbewegung. Zu Beginn der 1980er begann eine breite Öffentlichkeit ihr Engagement zu würden. Sie erhielt unter anderem den Architekturpreis der Stadt Wien (1980) und den Ehrenmedaille der Stadt Wien (1992).

Zielvorgabe „Real Estate 4.0“

Die Immobilienwirtschaft beschleunigt ihr Tempo Richtung Digitalisierung

Von Projektentwicklung über Bauphase bis hin zu Vermarktung und Bewirtschaftung – die Digitalisierung der Immobilienbranche nimmt Fahrt auf und hält Akteure und Expertenwelt auf Trab. Gerade war sie Gegenstand des neuen Real Estate Innovation Forums auf der EXPO REAL 2018. Doch es gibt auch Hindernisse auf dem Weg hin zu digitalen Immobilienunternehmen, die synergetisch digitale Produkte oder Services für einen digitalen Immobilien-Zyklus bereitstellen – und noch jede Menge Handlungsbedarf.

Innovative Technologien, Services und Geschäftsmodelle entern den Markt, Start-Ups sprießen wie Pilze aus dem Boden, Immobilienunternehmen tummeln sich zunehmend in den Sozialen Medien und die Investments in die „Immobilie von Morgen“ steigen. Letzteres bestätigt auch die dritte Digitalisierungsstudie des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, und EY Real Estate, derzufolge immer mehr Unternehmen der Immobilienwirtschaft einen signifikanten Anteil ihres Jahresumsatzes in Maßnahmen zur Umsetzung der eigenen Digitalisierungsstrategie investieren[1]. Und das trotz der ohnehin konstant starken Nachfrage und des hohen Umsetzungsdrucks durch die sehr gute Marktlage. Stellt sich die Frage: Wie digital ist die Immobilienbranche inzwischen und wohin wird die Reise mittelfristig gehen?

Digitale Prozesse, smarte Immobilien

Die Immobilienbranche gilt nicht unbedingt als Treiber der Digitalisierung und doch durchdringen datengestützte Prozesse und Services die einst konservative Branche inzwischen bereichsübergreifend. Makler, Projektentwickler, Bauträger und Co. werden zunehmend digitaler, wenn auch noch lange nicht alle digitale Zukunftstechnologien nutzen.

  • Bereits die Projektentwicklung wird heute vermehrt mithilfe des sogenannten „Building Information Modeling“ (BIM) umgesetzt – eine Art digitales Abbild des Gebäudes, das bei der Bauplanung ansetzt, aber auch Daten zu Bereichen wie Haustechnik, Wartung oder Mietern umfasst und damit eine synergetische Schnittstelle für alle Beteiligten bildet.
  • Im Bereich der Vermarktung wiederum setzt man zunehmend auf Digitales Marketing und wagt sich auch in die Sozialen Medien. Vor allem im Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen wird ein Großteil der Immobilien heute über Mieter- und Kundenportale angeboten und digitale Mieterakten und Geschäftsdaten kommen zum Einsatz. Damit nicht genug. Dank Virtual Reality (VR) können Interessenten heute ihren noch nicht fertiggestellten Neubau oder die Wunschimmobilie im Ausland vorab „betreten“, womöglich sogar bereits „einrichten“.
  • Natürlich ist auch die betriebliche Prozessoptimierung und -digitalisierung ein wichtiger Schritt auf dem Weg Richtung „Real Estate 4.0“. Nur wer digital denkt und arbeitet, kann auch digital entwickeln, bauen, vermarkten und betreiben. Was dabei häufig vergessen wird, ist der Bereich Human Resources, also ein intensiv geschultes Personal und Arbeitsplätze, die mit der entsprechenden IT-Infrastruktur ausgestattet sind. Auch das Jobprofil des Innovationsmanagers oder Digitalisierungsbeauftragten findet sich bis dato vor allem bei den Branchenriesen
  • Last but not least wird bekanntlich auch die Immobilie selbst immer intelligenter. Smart Home und Smart Office lassen grüßen! Die beiden Begriffe sind inzwischen längst nicht mehr nur Vision, allerdings schlummert noch viel ungenutztes Potenzial im Bereich des vernetzten Gebäudes. Laut einer Deloitte-Studie verwenden gerade einmal 16 Prozent der Deutschen eine Smart-Home-Lösung[2]. Sensoren zur digitalen zur Messung und Steuerung verschiedener Installationen sind aber ohnehin erst der Anfang. Zukünftig werden neben Fragen des Komforts und der Sicherheit auch Themen wie eine geeignete Ladeinfrastruktur für E-Autos eine Rolle spielen. Den Bereich künstliche Intelligenz nicht zu vergessen.

Klingt alles nach dem richtigen digitalen Kurs, nach ordentlich Wind in den digitalen Segeln. Und doch hinkt die Immobilienbranche der digitalen Transformation insgesamt immer noch hinterher; noch findet angewandte Digitalisierung eher vereinzelt und gerade bei mittelständischen Unternehmen zunächst intern statt. Wie kommt das und kann es sich mittelfristig ändern?

Auf Vernetzung bauen

Um das Ziel einer digitalen Immobilienwirtschaft zu erreichen, darf es nicht bei der Digitalisierung der eigenen Produkte und Services sowie der Nutzung innovativer Technologien bleiben; die Zukunft liegt vielmehr in der Vernetzung. Das gilt nicht nur für die Immobilie, sondern auch und vor allem für die Akteure. Zugegeben, eine Mammutaufgabe in Anbetracht der Komplexität und Vielfältigkeit des Immobilien-Kosmos. Ein Beispiel: Werden der Einsatz von IoT in der Produktion und die Smarten Services in der Immobilienwirtschaft rechtzeitig aufeinander abgestimmt, können gemeinsam neue digitale Lösungen entwickelt werden. Ähnlich verhält es sich etwa im Bereich „Open Data“: Wenn Vermessungs- und Stadtplanungsämter öffentlich zugängliche Datenräume schaffen, können Verwaltungsprozesse und damit auch die Immobilienumsetzung signifikant vereinfacht werden.

Was den Weg zu „Real Estate 4.0“ gegenwärtig verlangsamt, ist paradoxerweise die bereits erwähnte sehr gute Marktlage. Die Immobilienbranche boomt, die Nachfrage ist ungebrochen hoch. Eine Situation, in der sowohl Antrieb als auch Zeit fehlen zur Reflexion über eine konsequente und synergetische Digitalisierung des gesamten Immobilienzyklus. Insgesamt lässt sich resümieren: Die Digitalisierung ist inzwischen ein wichtiger Punkt auf der Agenda der Immobilienunternehmen, doch es fehlt den meisten noch an einer durchdachten Digitalisierungsstrategie und standardisierten Lösungen, die alle Branchenzweige miteinander verbinden.

[1] www.zia-deutschland.de

[2] www.deloitte.com

Prag – Magnet für Touristen und Start-Ups

Bild: Altstadt mit Karlsbrücke. „Vltava“ von Marketa. Lizenz: CC BY-SA 2.0


Das nächste Projektmeeting Office 21 des Fraunhofer IAO vom 14.11. bis 16.11.2018 führt uns ins schöne Prag.
Was genau erwartet uns in der Hauptstadt der Tschechischen Republik mit ihren prachtvollen Bauten und der lebhaften Start-Up-Szene?

Zukunftsschmiede im historischen Gewand

Mit seiner über 1000-jährigen Geschichte, den weltberühmten Sehenswürdigkeiten, seiner UNESCO-geschützten Altstadt, den attraktiven Shopping-Möglichkeiten und der idyllischen Lage direkt an der Moldau gilt Prag als eine der schönsten Städte der Welt und lockt jährlich circa sieben Millionen Touristen an. Die rund 200 historischen Gärten und Parks machen die Stadt zugleich zu einer der grünsten Metropolen der Welt.

Von Architektur über Kultur bis Lebensstil – Prag vereint Alt und Neu wie keine andere Metropole. Denn die „Goldene Stadt“ ist keinesfalls nur das romantische Reiseziel rund um Karlsbrücke, Hradschin und Co., sondern auch das wirtschaftliche Zentrum der Tschechischen Republik und landete im aktuellen Arcadis-Ranking der 100 attraktivsten Städte zum Leben und für unternehmerische Betätigung gerade auf dem zweiten Platz in Mittel- und Osteuropa, hinter Wien[1].

In diesem Zusammenhang hat sich die Moldau-Metropole mit ihren rund 1,3 Millionen Einwohnern in den letzten Jahren auch zu einem Hotspot für innovative Start-Ups aus ganz Europa entwickelt. Rund 300 Jungunternehmen mit vornehmlich technischem und digitalem Fokus haben sich hier bereits angesiedelt (Stand 2017). Die Gründer finden in Prag beste Bedingungen vor: Sie profitieren von der strategischen Lage zwischen Berlin und Wien, von der hohen Lebensqualität der Stadt, den geringen Betriebskosten und einer wachsenden Investorenriege. Zu den erfolgreichen Prager Zukunftsunternehmen zählen auch Avast Software, Dimension Data oder Socialbakers, deren innovative Geschäftsräume wir besichtigen werden.

Einen weiteren Schritt Richtung Zukunft unternimmt die Prager Stadtverwaltung mit ihrer aktuellen „Smart-City-Strategie“ bis 2030. Diese sieht unter anderem intelligentere Verkehrssysteme, Emissionsschutz durch mehr Energieeffizienz und einen einfacheren Zugang zu Informationen für Bürger und Touristen vor.

3D-Lehrbuch für architektonische Vielfalt

Bild: „Staré Město Národní 33 hotel Metropol“ von ŠJů, Wikimedia Commons. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Auch im Bereich Architektur bietet Prag eine Vielfalt, die ihresgleichen sucht. Neben den zahlreichen romanischen Kirchen und Souterrains, gotischen Domen, barocken Palästen und Gärten und mondänen Jugendstil-Bauten muss sich das Zentrum der Tschechischen Republik auch auf dem Gebiet der modernen Architektur nicht verstecken. Hierzu zählen unter anderem das berühmte Tanzende Haus von Frank Gehry, der neue Verbau des Stadtteils Karlín und seine Transformation zum Trendviertel, die Nationale Technische Bücherei im Stadtteil Dejvice oder die hochwertige Wohnanlage Central Park Praha. Auch das Vier-Sterne-Hotel Metropol mitten im Prager Stadtzentrum verkörpert anschaulich die architektonische Verschmelzung zwischen Alt und Neu. Die Glasfassade des Hotels fügt sich nahtlos in die umgebenden Altbauten ein und bietet eine exklusive Aussicht auf Prag. Das Gebäude wurde 2009 als tschechischer Beitrag für den europäischen Mies van der Rohe-Award nominiert.

[1] www.radio.cz/de/rubrik/tagesecho/staedte-ranking-prag-ist-ausgewogen-innovativ

Friedensreich Hundertwasser – Vorreiter der Grünen Architektur

Teil 9 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Friedensreich Hundertwasser
1928 – 2000
Österreichischer Architekt, Maler und Umweltaktivist

Bild: „Hundertwasser 1998 in Neuseeland“ von Hannes Grobe. Lizenz: CC BY-SA 2.5

Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt war in vielem seiner Zeit voraus. Er war ein Rebell, ein Umweltaktivist, jemand, der heute einen neuen Lifestyle-Trend setzen würde. Damals, in den 1980er Jahren, aber war er eher ein Einsiedler. Dennoch haben die Werke des visionären Künstlers – ob Malerei oder Architektur – die Menschen geprägt und bewegt und sind heute so aktuell wie nie. Seine weltberühmten Häuser ohne gerade Linien, dafür bewachsen mit Bäumen und Sträuchern waren in den 1980er Jahren außergewöhnlich. Heute findet die Hundertwasser-Architektur, die den Menschen einbindet und die Umwelt schont, weltweit viele Nachahmer.

Friedrich Stowasser, wie Hundertwasser mit bürgerlichem Namen heißt, wurde 1928 in Wien geboren. Da sein Vater bereits etwa ein Jahr nach seiner Geburt verstarb, zog seine Mutter ihn alleine groß und schickte ihn auf die Montessori-Schule in Wien, wo der Künstler früh seine Vorliebe für Formen und Farben entwickelte. 1948/49 begann Hundertwasser folglich ein Studium der Bildenden Künste, welches er allerdings bereits nach wenigen Monaten wieder abbrach. In dieser Zeit begann der angehende Künstler, seine Werke mit Hundertwasser zu signieren (Sto- ist das slawische Wort für Hundert).

In den kommenden Jahren reiste Hundertwasser viel, lernte verschiedene Sprachen, beschäftigte sich mit Kunst und Politik und malte mit Leidenschaft die Natur, die er auf seinen Reisen entdeckte. Bereits 1952 stellte er in seiner Heimatstadt Wien zum ersten Mal seine Werke aus. Zu diesem Zeitpunkt lebte der engagierte Künstler in Paris, wo er sich mit der École de Paris auseinandersetzte und als Gegenentwurf den Transautomatismus formulierte. Darin forderte Hundertwasser, dass der Kunstbetrachtende aktiv, verantwortungsbewusst und gestaltend wahrnehmen solle. Während seiner Zeit in Japan Anfang der 1960er Jahre änderte Hundertwasser seinen Vornamen schließlich in Friedensreich. Dort und auch in anderen Ländern wie Österreich und Neuseeland kaufte er Grundstücke, die er mit heimischen Pflanzen und Bäumen bepflanzte. So könne er sie der Natur wieder zurückgeben, meinte der Umweltschützer und versorgte sich durch Windräder und Sonnenkollektoren so weit wie möglich selbst mit Nahrung und Strom.

In Hundertwassers Malerei, die unter anderem 1964 auf der documenta III in Kassel gezeigt wurde, finden sich abstrakt-dekorative, flächige und farbenprächtige Zeichnungen mit den charakteristischen ornamentalen Spiral- und Labyrinth-Formen, Kreisen, Mäandern und biomorphen Formen, die der Künstler auch auf seine Architektur übertrug. Besonders die Spirale als Kreislauf des Lebens faszinierte Hundertwasser und findet sich im Großteil seiner Projekte wieder. Damit einhergehend manifestierte sich seine Vorstellung von einer natur- und menschengerechteren Architektur. Bereits 1958 erklärte der angehende Architekt in seinem „Verschimmelungsmanifest“ seine Ablehnung gegen den Rationalismus, gegen gerade Linien und funktionelle Architektur. Jeder solle das Recht haben, sich aus dem Fenster zu beugen und seine Hausmauern zu bemalen. Die rationale, sterile Architektur und die damit einhergehende tödliche Eintönigkeit seien verantwortlich für das Elend der Menschen. Aufmerksamkeit erregten auch Hundertwassers Nacktreden 1967 in Wien und 1968 in München, in denen er die sterile Architektur und die Serienfabrikation der Industrie anprangerte.
1975 legte der Naturfreund den Grundstein für die Fassadenbegrünung: Bei der Triennale di Milano pflanzte er 15 „Baummieter“ durch Gebäudefenster. Mit seinem bekanntesten Objekt, dem 1985 fertiggestellten Hundertwasser-Haus  in Wien, begann dann Hundertwassers eigentliche Arbeit im architektonischen Bereich. Unterstützt wurde er dabei von dem Architekten Peter Pelikan, mit dem er auch später verschiedene Werke umsetzte. Das Haus zeichnet sich durch seine unebenen Böden und krummen Formen sowie die 250 gepflanzten Bäume und Sträucher aus, die mittlerweile einen eigenen Park auf dem Hausdach bilden. Das weltberühmte Gebäude beherbergt etwa fünf Wohnungen und vier Geschäfte. Glitzernde Kuppeln und knallbunte Farben prägen nicht nur das Hundertwasser-Haus, sondern auch alle nachfolgenden Projekte. Inspiriert wurde Hundertwassers architektonischen Schaffen unter anderem von dem Künstler und Architekt Antoni Gaudi, der anonymen Architektur der Schrebergärten und auch von Märchenbüchern. Hundertwassers Werke wurden schnell zu Touristenmagneten und von der Bevölkerung positiv aufgenommen; unter Kollegen und Fachkritikern allerdings stießen sie gerade in den ersten Jahren seines Schaffens auch auf Ablehnung.

Hundertwassers Bauwerke bestechen durch ihre Lebendigkeit und Individualität, sie sehen aus, als seien sie natürlich gewachsen. Die Natur spiegelt sich darin wider und wird so eng wie möglich mit einbezogen. Zu den naturnahen Wohnmodellen des umweltbewussten Künstlers zählt beispielsweise auch das Augenschlitzhaus. Es ist derart in die Natur integriert, das man es fast nicht sehen kann. Dennoch liefern große Fenster und eine Lichtkuppel ausreichend Helligkeit. Bei Hundertwassers Hoch-Wiesen-Häusern wiederum werden kleine Wiesen und Wälder auf Etagen verteilt, darunter jeweils die Wohnungen angeordnet. Bei seinem Terrassenhaus schließlich wird die Waagrechte der Natur zugeordnet und die Senkrechte den Menschen. Damit zeigt Hundertwasser, wie sehr sich Mensch und Natur verbinden sollen und bekräftigt damit einmal mehr sein berühmtes Motto: „Nur, wenn Du den Baum liebst wie Dich selbst, wirst Du überleben.“

Tallinn – UNESCO Weltkulturerbe & digital Hotspot

Das nächste Projektmeeting Office 21 des Fraunhofer IAO findet vom 11.7. bis 13.7.2018 in Estlands Hauptstadt Tallinn statt. Was uns in dem Start-Up-Hub mit historischer Kulisse erwartet?

In Tallinn verbinden sich historische und moderne Architektur ebenso wie jahrhundertealte Hansetradition und Start-up-Kultur. Und als „Partyhauptstadt Europas“ und Vorreiter in Sachen Digitalisierung gilt das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum Estlands ebenfalls. Etwa 430.000 der circa 1,3 Millionen Esten leben dort.

Tallin, damit verbinden sich als erstes meist Assoziationen wie die russisch-orthodoxen Zwiebeltürme der Newski-Kathedrale aus der Zarenzeit oder die Altstadt mit ihren pittoresken, spitzgiebligen Kaufmannshäusern, dem spätgotischen Rathaus und allem, was zum Ensemble des UNESCO Weltkulturerbes zählt. Doch inzwischen haben Tallinn und Estland weit mehr zu bieten als historische Bauten aus unterschiedlichsten Zeiten.

Der Weg in die Zukunft begann nach der Auflösung der UdSSR. Estland etablierte ein liberales Wirtschaftssystem mit auch für Unternehmen attraktiven Steuersätzen, das große Namen wie Ericsson oder Philipps anzog. Parallel wurden modernste Telekommunikationsstrukturen aufgebaut und verwaltungstechnisch alle Voraussetzungen geschaffen, um auch junge Unternehmen und Start-ups anzusiedeln. Mit ihrem „E-Residency-Programm“ spricht Estland explizit EU- und Nicht-EU-Bürger an, ihr Unternehmen in Estland etablieren; die Firmengründung dauert etwa eine halbe Stunde. Darüber hinaus unterstützen 13 Acceleratoren die Start-ups mit Coachings und bringen Unternehmen mit Investoren zusammen. Ganz offenbar mit Erfolg: Nicht nur „Skype“ wurde hier entwickelt, vielmehr gilt Tallinn inzwischen als Hotspot für Start-Ups aus ganz Europa.

 Digitaler Vorreiter

Die Basis dafür liefert der hohe Grad der Digitalisierung. Lettland gilt als digitaler Vorreiter. Im europaweiten Vergleich liegt das Land in den Top Ten des Digital Economy and Society Index (DESI).* Das zeigt sich auch im täglichen Leben. Wer in Estland beispielsweise einen neuen Ausweis beantragen, sich ummelden oder eine Firma gründen möchte, loggt sich einfach mit seinem Personalausweis bei der entsprechenden Behörde ein und los geht’s. Wer sich mit seinem Smartphone außerhalb der Wohnung mit dem Internet verbinden möchte, kann auf unzählige WLAN-Spots zugreifen – die Abdeckung liegt bei 99 Prozent. Das Recht auf Internet ist sogar in den estnischen Grundrechten verankert. Bereits in den Grundschulen werden die Kinder mit der Digitalisierung vertraut gemacht, mit allen Vor- und Nachteilen. Dazu gehört auch das Thema Datensicherheit. Hier wird Transparenz großgeschrieben. Jeder kann idealerweise sehen, wer wann Zugriff auf seine Daten hatte, und hat die Möglichkeit, bestimmten Institutionen den Zugriff zu verweigern.

Architektur auf dem Weg ins nächste Jahrtausend

Die wirtschaftliche und digitale Entwicklung hat inzwischen auch Tallinns Architektur transformiert. Der Kontrast zwischen Alt und Neu verleiht der Stadt ihr ganz besonderes Flair. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine eigene zeitgenössische Architektur entwickelt. Moderne Materialien wie Beton oder Glasfasern verbinden sich mit Holz, Lehm oder Stein und modernsten Technologien. Ein Beispiel dafür ist das Museum für estnische Kunst, fertiggestellt 2006 und eines der größten Kunstmuseen in Nordeuropa. Es ist seiner natürlichen Umgebung angepasst und scheint sich für den Betrachter aus der Erde zu erheben.
Darüber hinaus zeichnet sich die tallinnische Gegenwartsarchitektur dadurch aus, dass alte und neue Gebäude miteinander verschmolzen werden. So eröffnete 2012 das Schifffahrtsmuseum in einem ehemaligen Hangar für Wasserfahrzeuge aus dem Jahre 1917. Im ehemaligen Industriegebiet Rotermann ergänzen sich moderne Gebäude und alte Fabriken innerhalb eines innovativen Gesamtkonzepts. Ein weiteres Beispiel ist das Entdeckungszentrum Energia und das Kreativzentrum Kultuurikatel, die in einem ehemaligen Kraftwerk Raum gefunden haben.

Impressionen aus Tallinn folgen nach unserer Entdeckungsreise.

* Die Studiendaten sind hier veröffentlicht: https://bit.ly/1UPeUWV.