Office 21: Projekttreffen in Warschau

Das erste Projektmeeting Office 21 des Fraunhofer IAO in 2023 fand vom 22. bis 24. März ein weiteres Mal in Warschau statt. Die „European Best Destination 2023“ hatte auch abseits der spannenden Projektthemen einiges zu bieten. Warschau hat sich zu einer vielschichtigen Metropole entwickelt, in der historische und modernste Architektur aufeinandertreffen.

Vortrag von Dennis Stolze über die Zukunft von Hybriden Meetings

Auf dem Programm stand neben Forschungsupdates zu den Themen „Neue Mitarbeitertypologien“ und „Hybride Meetings“ sowie einem Workshop zu Auswirkungen von „Post-Corona Bürokonzepten“ auch die Besichtigung einiger architektonischer Highlights der polnischen Hauptstadt: Am Donnerstag besuchten wir die neuen Büroräume der AHK Polen im Concept Tower. Am Freitag inspizierten wir das Cambridge Innovation Center (CIC) und den Varso Tower. Ein Bummel durch das Szeneviertel Warschau Praga durfte nicht fehlen.

Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer (AHK Polen)

Die AHK Polen ist im Januar 2023 in ihre neuen Büroflächen im Concept Tower umgezogen. Das 15-stöckige LEED-Gold zertifizierte Hochhaus besticht durch seine distinktive Glasfront, die für optimale Lichtverhältnisse der Innenräume sorgt.

Varso Tower

Ausblick von der Besucherplattform des Varso Towers

Der Varso Tower ist mit 310 Metern das höchste Gebäude der EU und eines der höchsten Gebäude in Europa. Entworfen wurde es vom Büro Foster + Partners, von dem unter anderem auch die Berliner Reichstagskuppel stammt. Der schlicht gehaltene Turm aus Beton und Glas gewinnt seine Charakteristik vor allem durch seine stufenförmige Spitze. Eine öffentliche Aussichtsplattform auf 230 Metern Höhe bietet einen faszinierenden Panoramablick über die Stadt. Das Entree ist aufwändig gestaltet, unter anderem mit einer Keramik-Kunstwand, türkischem Marmor und Olivenbäumen. Den obersten Teil der Turmspitze bildet die 80 Meter hohe, mit mehreren Ringen geschmückte, Antenne.

Cambridge Innovation Center (CIC)

Cambridge Innovation Center Warschau

Das CIC Warschau ist ein Coworking-Komplex, der sich auf 8000 qm am Varso Place erstreckt. Hier können Unternehmen, Start-Ups und NGOs Büroflächen, Besprechungsräume sowie eine Wellnesszone oder Präsentationsflächen für Prototypen mieten. Der Varso Place besteht aus insgesamt drei Hochhäusern: dem Varso 1, dem Varso 2 und dem Varso Tower.

Praga Viertel

Centrum Koneser im Praga Viertel

Das Praga Viertel gilt heute als authentischster Bezirk der Stadt, da es im Zweiten Weltkrieg nicht vollständig zerstört wurde. Rund 20 Prozent aller Gebäude aus der Vorkriegszeit sind noch erhalten. Außerdem hat sich die Gegend in den letzten Jahren zum neuen Szeneviertel für Kunst und Design entwickelt. Neben dem Google Campus im postindustriellen Fabrikgebäude finden sich hier Galerien, Start-Ups und zahlreiche Wandmalereien.

Arno Lederer- Moderne mit Charakter

Teil 30 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Arno Lederer
*1947 in Stuttgart
†2023 in Stuttgart
deutscher Architekt

„Wir wollen Architektur nicht zwanghaft neu erfinden, vielmehr versuchen wir, aus der langen Geschichte des Bauens zu lernen – ohne dabei einem Historismus zu verfallen“ – Lederer, Ragnarsdottir & Oei

Lederers Architektur zeichnet sich durch eine besondere Sensibilität für den Kontext seiner Projekte aus. Seine Bauten meistern dabei die Gradwanderung zwischen neu und alt. Sie besitzen eine eigenständige, zeitgenössische Formensprache und stehen dennoch in einem harmonischen Dialog mit ihrer Umgebung. Die Bauten seines Architekturbüros LRO (Gründung 1979, im Jahr 1985 und 1992 kamen erst Jórunn Ragnarsdottir und anschließend Marc Oei als Partner dazu) unterscheiden sich von der Kühle anderer Gebäude der modernen Architektur meist durch verspielte Elemente wie Ziegelfassaden, Erker, runde Treppenhäuser oder auch Parabelbogen. Lederer war ein klarer Unterschied zwischen drinnen und draußen wichtig, weshalb er nicht viel von transparenten Glasfassaden hielt. Innenräume sollten seiner Meinung nach Geborgenheit vermitteln, ein Raum Charakter und Atmosphäre besitzen. Sein Fokus galt überwiegend dem Bau von Sozialbauten, Schulen, Theatern und Museen.

Neben der Architektur hatte Lederer bis 2014 mehrere Professuren an der HAT Stuttgart, der Universität Karlsruhe und der Universität Stuttgart inne. Sein Mentor war der bekannte deutsche Architekt und Preisrichter Max Bächer.

Bild: „Ravensburg, Kunstmuseum“ von Andreas Praefcke. Lizenz: CC BY 3.0

Kunstmuseum Ravensburg

Der Neubau des Kunstmuseums Ravensburg sollte die Städtische Galerie Ravensburg ersetzen, aber sich optisch trotzdem in die historischen Fassaden der Stadt einfügen – ohne auf eine eigene Identität zu verzichten. Zwischen 2010 und 2013 entstand der Neubau nach Plänen von LRO in der Altstadt. Lederer und seine Partner entwarfen das Gebäude als weltweit erstes Passivhaus-Museum: Zur Senkung des Energieverbrauchs ist die Außenwand überwiegend fensterlos und besteht aus einer Schicht Beton, einer 24 cm dicken Dämmung und einer Verkleidung aus wiederverwendetem Klinker. Das Gebäude ist unterteilt in einen zentralen, beinahe quaderförmigen Hauptbau mit drei übereinanderliegenden Ausstellungsräumen und zwei niedrigeren Anbauten. Ein optisches Highlight bildet das Dach, welches aus geschwungenen Strukturen besteht und durch ein Ziegelgewölbe abgeschlossen wird. Für dieses innovative Design gewann das Architekturbüro LRO unter anderem den Deutschen Architekturpreis und den DAM-Preis für Architektur in Deutschland.

Historisches Museum Frankfurt

Bild: Historisches Museum Frankfurt von Simsalabimbam. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Im Herzen Frankfurts, auf dem Römerberg, stand bis in die 2010er das alte Historische Museum Frankfurts. Das Museum bestand aus einer Mischung aus historischen Gebäuden und einem Siebzigerjahre Betonanbau, welcher ersetzt werden musste. Lederer und sein Architekturbüro konnten den internationalen Wettbewerb der Stadt Frankfurt für den Neubau des Museums für sich entscheiden. Ziel war es, dass der Neubau mit den bestehenden historischen Gebäuden optisch eine Einheit bildet. LRO haben zusätzlich zwischen den beiden Gebäuden des Neubaus einen städtischen Platz eingeplant, unter dem es eine Verbindung der Bauten gibt. Dadurch wirkt das 2017 neu eröffnete Historische Museum wie ein eigenes kleines Stadtviertel. Diese Öffnung zur Frankfurter Altstadt schafft eine Balance zwischen der örtlichen Nachkriegsmoderne und der roten Sandsteingotik des Museums. Das kleinere Gebäude der beiden Neubauten wurde nach historischem Vorbild an den alten Saalhof angebaut und bildet mit diesem architektonisch eine Einheit. Der zweite Neubau fungiert als großes Ausstellungshaus. Auch bei den Baumaterialien haben LRO sich am Vorbild der historischen Häuser auf dem Römer orientiert. So bestehen die Bauten überwiegend aus Mainsandstein, Basalt und Naturputz, während die Dächer mit Naturschiefer gedeckt sind. Dadurch schließen sie optisch an den Römer, den Dom und das Karmeliterkloster an. Ein großer Erker mit Panorama-Fenster verbindet die beiden spitzen Satteldächer des Ausstellungshauses und schafft so eine Verschmelzung von Moderne und Historie.

Münchner Volkstheater

Bild: Volkstheater München von HubertST. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Im Jahr 2017 gewannen Lederer und sein Büro den europaweiten Wettbewerb für den Neubau des Münchner Volkstheaters. In den Entwurf des Neubaus auf dem Gelände des ehemaligen Schlacht- und Viehhofs musste zusätzlich ein Gebäudeflügel der Bestandsbauten aus denkmalschutzgründen mitintegriert werden. Deshalb beschloss Lederer, sich der Optik der Ziegelbauten des Schlachthofs zu bedienen und auch für die Gebäudehülle des Theaterneubaus roten Ziegelstein zu verwenden. Alt- und Neubau werden zusätzlich durch einen großen Torbogen verbunden, der einen, sich zur Straße hin öffnenden Innenhof überspannt. Der 29 Meter hohe Bühnenturm setzt sich über das Dach des Neubaus fort und besticht durch eine semi-transparente Membranfassade. Eine Gitterkonstruktion aus gefalteten Metallstäben umschließt die technischen Anlagen des Neubaus. Das Theater wurde 2021 fertiggestellt. Noch im selben Jahr gewannen LRO für die Wiedererschließung des Areals den polis Award für Stadt- und Projektentwicklung in der Kategorie „reaktivierte Zentren“.

Gustave Eiffel – zum 100. Todesjahr des französischen Meisters

Teil 29 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Gustave Eiffel
*1832 in Dijon, Frankreich
†1923 in Paris, Frankreich
französischer Ingenieur und Konstrukteur

„Der erste Grundsatz der architektonischen Schönheit besteht darin, dass die wesentlichen Linien eines Bauwerks durch eine vollkommene Angemessenheit gegenüber seiner Nutzung bestimmt werden.“ – Gustave Eiffel

Gustave Eiffel ist durch den nach ihm benannten Eiffelturm bis heute weltberühmt, doch kaum jemand weiß etwas über seine Arbeit an zahlreichen Brücken, Bahnhöfen und Kathedralen auf der ganzen Welt oder seine wissenschaftliche Forschung zu Windkanälen. Anlässlich des 100. Todesjahres des französischen Ingenieurs werfen wir einen näheren Blick auf sein Leben und die Hintergründe seiner spektakulärsten Bauten.

Bordeaux Passerelle Eiffel

Im Jahr 1855 schloss Eiffel zunächst ein Chemiestudium in der Nähe von Paris ab. Nach verschiedenen Jobs in einer Sprengstofffabrik und in diversen Konstruktionsbüros wurde er 1856 Brückenbauingenieur für Eisenbahnbrücken. Die Passarelle Eiffel über den Fluss Garonne in Bordeaux mit ihrem Fachwerk-Überbau gilt heute als Eiffels erstes Bauwerk. Durch diesen Erfolg bekannt geworden, folgten in den nächsten Jahren zahlreiche lukrative Aufträge – zum Beispiel Arbeiten für die Weltausstellung in Paris 1867 sowie diverse Bauten in Südamerika. Ab 1879 entwickelte er für den Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi ein Trägersystem für die Freiheitsstatue von New York. Und im Jahr 1889 wurde sein Namenswerk, der Pariser Eiffelturm, feierlich eröffnet – der jedoch zunächst bei den Parisern und Pariserinnen keinen Anklang fand.

Im Jahr 1888 verpflichtete Eiffel sich, 30 Schleusen für den geplanten Panama-Kanal von Ferdinand de Lesseps zu liefern. Nachdem de Lesseps Gesellschaft wegen Korruptionsvorwürfen Konkurs anmelden musste, wurde Eiffel wegen der Nichterfüllung seines Vertrags angeklagt. Obwohl er wenige Monate später von allen Vorwürfen freigesprochen wurde, war sein Ruf nachhaltig geschädigt. In den folgenden Jahren zog Eiffel sich deshalb aus dem Baugeschäft zurück und widmete sich ganz der Wissenschaft. Mit seinen Windkanal-Experimenten legte er wichtige Grundsteine für die Aerodynamik.

Bild: „Nyugati pályaudvar, Budapest“ von Varius. Lizenz: CC BY 3.0

Budapest Westbahnhof (Nyugati Pályaudvar)

Nach dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich 1867 wuchs der Schienenverkehr in Budapest so rasant an, dass der ursprüngliche Westbahnhof nicht mehr genügend Kapazitäten für den erhöhten Verkehr bot. Daraufhin ließ die österreichisch-ungarische Eisenbahngesellschaft den Entwurf einer neuen Bahnhofshalle europaweit ausschreiben. Eiffel schaffte es, den Auftrag für sein Architekturbüro zu gewinnen und erbaute die neue Halle zwischen 1874 und 1877. Um in dieser Zeit den Zugbetrieb nicht stoppen zu müssen, musste er die neue Halle über die alte bauen, welche erst nach der Fertigstellung der neuen Halle abgerissen werden konnte. Eiffel schaffte es die 146 Meter lange und 25 Meter hohe Halle durch eine Konstruktion aus Glas und Stahl trotz ihrer Größe offen und leicht wirken zu lassen. Die damals ungewöhnliche Glasfassade der Bahnhofshalle bildete einen optischen Kontrast zu den angrenzenden Steinbauten der Wartehallen und Verwaltungsgebäuden.

Freiheitsstatue

Bild: „Statue of Liberty“ von William Warby. Lizenz: CC BY 2.0

Als der französische Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi 1871 nach New York reiste, beschäftigte ihn die Idee eines Denkmals zur amerikanischen Unabhängigkeit bereits seit sechs Jahren. Der Standort der zukünftigen Freiheitsstatue und die Bauerlaubnis waren schnell besorgt. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich setzte sich Bartholdi an die Konzeption der Statue. Als im Jahr 1879 sein Architekt Viollet-le-Duc, der die Verbindung des Arms und Kopfes der Statue geplant hatte, verstarb, brauchte Bartholdi schnell kompetenten Ersatz. Diesen fand er in Gustave Eiffel und seinem leitenden Konstrukteur Maurice Koechlin. Die beiden beschlossen das von Viollet-le-Duc angedachte Skelett aus Backsteinpfeilern zu verwerfen und entschieden sich stattdessen für ein Eisenskelett, das von einem zentralen Mast gestützt wird. Der Mast aus vier massiven Eisenträgern wurde zusätzlich fest in der Plattform des Sockels verbolzt. Um Bruchstellen in der Kupferverkleidung zu vermeiden, war es wichtig keine völlig starre Struktur zu erschaffen. Deshalb entwarfen Eiffel und Koechlin eine Konstruktion aus mehreren Fachwerkträgern aus Eisen, welche die Tragekonstruktion mit den Kupferplatten der Verkleidung verband. Eiffel ließ außerdem in Schellack getränkten Asbest an den Kupferplatten anbringen, um einer Korrosion bei Kontakt mit den Eisenträgern vorzubeugen. Der Materialwechsel von Backstein zu Eisen erlaubte es dem Team nun die gesamte Statue zuerst in Frankreich vorzufertigen, sie in Einzelteilen nach Amerika zu bringen und dort erneut aufzubauen.

Eiffelturm

Bild: „Der Eiffelturm vom Marsfeld aus gesehen“ von Benh LIEU SONG. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Eiffels Meisterwerk, das er nach sich selbst benannt hat, entstand im Zuge der Weltausstellung 1889, die aufgrund des 100. Jahrestags der französischen Revolution in Paris stattfand. Der spätere Eiffelturm war als 300 Meter hoher Turm geplant, der die Besucher am Eingang der Ausstellung begrüßen und beeindrucken sollte. Eiffel und seine Mitarbeiter konnten sich den Auftrag sichern, nachdem sie den Ideen-Wettbewerb für den Turm gewannen. Eiffels Technik des Stahlskelettbaus für die Konstruktion des schließlich insgesamt 324 Meter hohen Turms war in der damaligen Zeit bahnbrechend. Durch die Verwendung von vorgefertigten Stahlskelettsegmenten betrug die Bauzeit lediglich 16 Monate. Nach seiner Fertigstellung war der Eiffelturm das höchste Gebäude weltweit. Ursprünglich sollte der Turm 20 Jahre nach der Ausstellung wieder abgerissen werden, doch Eiffel konnte sein Fortbestehen sichern, indem er dessen Höhe ausnutzte und ihn mithilfe von Antennen zu einem wichtigen Instrument für die Telekommunikation und das Radio machte. Mittlerweile ist der Eiffelturm das bekannteste Wahrzeichen von Paris.

Ursulina Schüler-Witte & Ralf Schüler – Dream-Team der Pop-Architektur

Teil 28 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Ursulina Schüler-Witte
*1933 in Berlin
†2022 in Berlin
deutsche Architektin

Ralf Schüler
*1930 in Berlin
†2011 in Berlin
deutscher Architekt

„Ralf war der geniale, äußerst innovative und kreative Architekt und der detailsichere Konstrukteur, während ich ihn oft mit meinen unkonventionellen und phantasievollen Einfällen überraschte.“ – Ursulina Schüler-Witte über die Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann.

Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte waren privat wie beruflich ein eingespieltes Team. Seine technische Begabung ergänzte sich mit ihren kreativen Einfällen und zusammen erschuf das Architektenpaar Ikonen der Berliner Architektur. Die Handschrift ihrer bekanntesten Werke ist dabei geprägt von der Zurschaustellung technischer Elemente, der plastischen Gestaltung sowie dem ständigen Experimentierten mit neuen Baumethoden und Materialien.

Ursulina Witte studierte Architektur an der Technischen Universität Berlin, wo sie 1953 ihren späteren Ehemann Ralf Schüler kennenlernte. Im Jahr 1967 eröffnete das Ehepaar sein eigenes Architekturbüro in Berlin. Dank ihres Beitrags zum Wettbewerb zur Gestaltung des U-Bahnhofs Blissestraße konnten die jungen Architekten früh auf sich aufmerksam machen und wurden im selben Jahr der Gründung ihres Architekturbüros bereits mit der Gestaltung des U-Bahnhofs Schloßstraße beauftragt.

Bild: „U-Bahnhof Schloßstraße“ von Phaeton1. Lizenz: CC BY-SA 3.0

U-Bahnhof Schloßstraße

Im Jahr 1974 eröffnet, ist der U-Bahnhof Schloßstraße ganz ein Kind seiner Zeit. In ihren Entwürfen haben sich Schüler & Schüler-Witte von Anfang an von den strengen Rasterfassaden der Nachkriegsarchitektur abgelöst und stattdessen Einflüsse der High-Tech-Architektur mit der so genannten Pop-Architektur verknüpft. Dazu haben Schüler & Schüler-Witte viele Wandelemente in knalligen Blau-, Gelb-, Orange- und Rottönen gestaltet und die Treppenschächte sowie die Verteilerebene in dunklen Blau- und Grüntönen gekachelt oder gestrichen. Die neuartige Verwendung von knallig buntem Kunststoff für die Schriftelemente der Station geben dem Bahnhof nicht nur einen sehr plastischen, sondern auch verspielten Charakter. Die Decken bestehen überwiegend aus Sichtbeton. Der U-Bahnhof sollte einen multidimensionalen Verkehrsknotenpunkt bilden, der die Bundesautobahn mit dem Steglitzer Kreuz verband. Um diesen Knotenpunkt auch überirdisch zu betonen, entwarfen Schüler & Schüler-Witte zusätzlich noch einen auffälligen Turm, der bis heute bei den Berlinern als „Bierpinsel“ bekannt ist.

Bierpinsel

Bild: Bierpinsel von Marek Śliwecki. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Den Namen „Bierpinsel“ erhielt das 47 Meter hohe Gebäude schon während seiner Entstehung: Zum einen erinnerte der untere schmale Teil des Turms die Berliner während des Bauens an einen Rasierpinsel, zum anderen entstand der Spitzname durch die geplante Nutzung des Gebäudes als Gastronomie. Schüler & Schüler-Witte selbst hatten die Architektur ursprünglich an die Form eines Baumes angelehnt. Der 1976 fertiggestellte Turm aus Sichtbeton ist ein Sinnbild der Pop-Architektur, was nicht nur an der auffälligen Form des aufgesetzten mehreckigen Körpers des Turms erkennbar ist, sondern auch an seiner ursprünglich knallroten Farbe. In den Bierpinsel gelangt man über den extra daneben angebauten Treppenturm. Durch die Integration des Turms in die Joachim-Tiburtius-Brücke wollten Schüler & Schüler-Witte die Hochstraße besser in die Stadtstruktur einbinden. Das außergewöhnliche Bauwerk ist heute das Wahrzeichen von Berlin-Steglitz und steht zusammen mit dem U-Bahnhof Schloßstraße unter Denkmalschutz.

Internationales Congress Centrum Berlin

Bild: „Berlin ICC“ von Taxiarchos228. Lizenz: Free Art License

1966 gewannen Schüler & Schüler-Witte den Wettbewerb für das Kongresszentrum Berlin. Die Anforderungen des Senats an die Architekten war es, das größte, modernste und erfolgreichste Kongresszentrum Europas zu entwerfen. Ihre ursprünglichen Entwürfe für das Kongresszentrum mussten Schüler & Schüler-Witte über den Haufen werfen, nachdem das ihnen zugewiesene Gelände für den Bau für ihre Pläne viel zu klein war. Dadurch war klar, dass das Gebäude insgesamt länger, aber schmaler werden musste und die Räume über-, statt nebeneinander gebaut werden mussten. Der bekannte futuristisch anmaßende Bau mit der Aluminium-Fassade im High-Tech-Architekturstil entstand daher aus reiner Zweckmäßigkeit. Die Tragkonstruktion der Säle und die Dachkonstruktion bestehen aus zwei getrennten Bauten, um den Lärm der Umgebung auszuschließen. Um den Zweck des Gebäudes – Kommunikation – auch architektonisch darzustellen, haben Schüler & Schüler-Witte auf Transparenz gesetzt. So gibt es im Inneren über dem Erdgeschoss keine abschließende Etagentrennung, sondern seitliche Öffnungen, die einen Blick auf die Konstruktion und zu den oberen Sälen ermöglichen. Im Jahr 1979 wurde das ICC Berlin schließlich eröffnet mit einer Länge von 313 Metern, einer Breite von 89 Metern und einer Höhe von fast 40 Metern sowie 80 Sälen und Räumen.

Neben diesen prägenden Ikonen West-Berlins hat das Ehepaar auch eine Vielzahl von Wohnhäusern, Brücken, Museen und anderen öffentlichen Bauten ebenso wie die Denkmale für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht entworfen. 2015 hat Ursulina Schüler-Witte selbst eine Biografie über die Werke von ihr und ihrem Mann veröffentlicht: Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte. Eine werkorientierte Biographie der Architekten des ICC.

Lina Bo Bardi – modernistische Denkerin

Teil 27 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Lina Bo Bardi
*1914 in Rom, Italien
†1992 in São Paulo, Brasilien
italienisch-brasilianische Architektin und Designerin

Lina Bo Bardi zählt zu den wichtigsten und ausdrucksstärksten Architekten und Designern Brasiliens. Im Jahr 2021 wurde ihr auf der Architekturbiennale in Venedig posthum der Goldene Löwe für ihr Lebenswerk verliehen: „Es sind vor allem [Lina Bo Bardis] kraftvolle Bauten, die in ihrer Gestaltung und in der Weise, wie sie Architektur, Natur, Wohnen und Gemeinschaft miteinander verbinden, herausragend sind.“ (Hashim Sarkis, Kurator der Biennale 2021)

Bild: „Lina bo bardi, tripé, 1948” von Sailko. Lizenz: CC BY 3.0

Als eine der wenigen Frauen ihrer Zeit studierte Lina Bo Bardi von 1934 bis 1939 Architektur. Danach zog sie von Rom nach Mailand und arbeitete dort zunächst als Illustratorin. Parallel sammelte sie erste Erfahrungen als ehrenamtliche Mitarbeiterin im Architekturbüro von Gio Ponti. Schon früh lag ihr Fokus auf dem gesellschaftlichen Nutzen ihrer Bauten, weshalb sie sich vieler sozialer Wohnungsbauprojekte annahm. Nachdem Bardi nach Brasilien emigriert war, spielte sie für die Entwicklung der modernen Architektur des Landes eine entscheidende Rolle. In São Paulo angekommen identifizierte sie sich schnell mit der sozialkritischen und kulturrevolutionären Antropophagie-Bewegung. Die Bewegung strebte eine kulturelle Unabhängigkeit von den europäischen Kolonialisten und die Erschaffung einer eigenen brasilianischen Kultur an. Bardi war neben ihrer Architekturtätigkeit auch Redakteurin, Bühnenbildnerin, Illustratorin sowie Schmuck- und Interiordesignerin. So entwarf sie oftmals Teile der Inneneinrichtung für ihre Bauten selbst. Zum Beispiel den zusammenklappbaren „Frei Egidio“-Holzstuhl.

Casa de Vidro

Nachdem Bardi und ihr Mann 1946 nach Brasilien auswanderten, bauten sie sich von 1950 bis 1952 ein eigenes Haus. Das von Bardi selbst entworfene Casa de Vidro (gläsernes Haus) brachte ihr nicht nur viel Aufmerksamkeit und Bewunderung ein, sondern auch jede Menge Aufträge für private und öffentliche Bauten. Der Salon des als Künstlerkonklave angedachten Hauses wird von elf Pfeilern getragen, die hangabwärts angeordnet sind. Die raumhohen Glaswände sind nicht nur außen von Bäumen eingezäunt: Im Inneren des Salons befindet sich eine Aussparung, in der sich nach und nach Pflanzen und Bäume aus dem Garten ihren Weg nach oben bahnen. Im Kontrast dazu steht der klassische, auf dem Boden liegende, hintere Teil des Hauses, in dem sich die privaten Zimmer verbergen. Dadurch schafft das Gebäude einen fließenden Übergang vom traditionellen zum modernen Baustil.

Museu de Arte de São Paulo

Bild: Museu de Arte de São Paulo von Mike Peel. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Als das Museum, das nach Bardis Entwürfen gebaut wurde, 1968 offiziell eingeweiht wurde, war sogar Königin Elisabeth II. des Vereinigten Königreichs anwesend. Das Kunstmuseum in São Paulo gilt heute als Wahrzeichen der Stadt und der modernen brasilianischen Architektur. Der Hauptkörper – ein Quader aus Glas und Beton – wird von zwei massiven seitlich angebrachten roten Betonbügeln acht Meter über dem Boden getragen. Dadurch wurde das Gebäude zum Pionier der Stahlbetonbauweise in Brasilien. Auch das Areal unter dem Quader wird genutzt: Auf dem 74 Meter großen Platz finden regelmäßig Veranstaltungen und Märkte statt. Die verglasten Wände öffnen das Gebäude und die bedeutenden Kunstsammlungen im Inneren optisch zusätzlich zum nahegelegenen historischen Stadtzentrum und dem Stadtpark. Bardi selbst sagt über ihr Design, dass sie „nicht nach Schönheit gesucht [habe], [sondern] nach Freiheit.“ Im Jahr 2003 wurde der Bau vom brasilianischen Institut für Historisches und Künstlerisches Erbe als nationales Kulturgut anerkannt.

Fábrica de Pompéia – SESC Pompéia

Bild: „Lina Bo Bardi, SESC Pompéia (5320956259)“ von Paulisson Miura. Lizenz: CC BY 2.0

Die ehemalige Fass-Fabrik wurde von 1977 bis 1986 nach Bardis Entwürfen aufwendig zu einem Sport-, und Kulturzentrum umgebaut. Die Herausforderung bestand dabei darin die bestehende Struktur mit neuen Bauten nach ihrem Design zu einer Einheit zu kombinieren. Da die existierende Struktur von den Einheimischen bereits für soziale Veranstaltungen genutzt wurde, wollte Bardi diese Funktionen nicht wegnehmen, sondern durch Veränderungen noch verstärken. Dazu ließ sie zunächst den Gips am alten Gebäude entfernen, um den rohen Beton darunter freizulegen. Dann ließ sie zusätzliche Betontürme bauen, die sie durch acht Laufbrücken mit dem alten Gebäude verband. Als Kontrast zum gradlinigen, grauen Beton wurden unförmige Fensterlöcher in die Türme geschlagen in die rote Schiebegitter eingesetzt wurden. Während der langen Entstehungsphase war Bardi auch in die Entscheidungen der Inneneinrichtung – von Möbeln bis hin zum Design der Uniformen für Angestellte – involviert. Sie wollte Räume für die gesamte Öffentlichkeit, aber ohne Hierarchien erschaffen.

Shigeru Ban – innovativer Philanthrop

Teil 26 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Shigeru Ban
*1957 in Tokio, Japan
japanischer Architekt

„Shigeru Ban ist eine Naturgewalt, was angesichts seiner ehrenamtlichen Arbeit für Obdachlose und Enteignete in Gebieten, die von Naturkatastrophen verwüstet wurden, durchaus angemessen ist. Aber er erfüllt auch alle Voraussetzungen für die Aufnahme in das Pantheon der Architektur – ein profundes Wissen über sein Fachgebiet mit besonderem Schwerpunkt auf modernsten Materialien und Technologien, absolute Neugier und Engagement, unendliche Innovation, ein untrügliches Auge, eine ausgeprägte Sensibilität – um nur einige zu nennen.“ – Lord Palumbo, Vorsitzender der Pritzker-Preis-Jury

Bild: Mt.Fuji World Heritage Centre von Mr.Asylum. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Shigeru Bans Architektur ist von der Einfachheit des traditionellen japanischen Architekturstils geprägt. Diesen interpretiert er in seinen Gebäuden mithilfe von westlichen Einflüssen neu. Der gebürtige Japaner studierte zuerst in Los Angeles und anschließend in New York Architektur und gründete 1985 sein eigenes Architekturbüro in Tokio.

Bauten aus recycelter Pappe

Ban ist vor allem für die Verwendung der in der Architekturwelt eher untypischen Materialien Papier und Pappe in seinen Bauten bekannt. Bereits kurz nach der Gründung seines Architekturbüros entwickelte er sein Markenzeichen: Strukturen aus recycelten Kartonröhren. Für die EXPO 2000 in Hannover fertigte er den japanischen Pavillon aus Karton an, um das Potenzial des Materials im Bau unter Beweis zu stellen. Zusammen mit dem deutschen Architekten Frei Otto entwarf Ban eine 72 Meter lange Gitterschalen-Konstruktion, die nach der Ausstellung recycelt und wieder zu Papiermasse verarbeitet werden konnte.

Viele Entwürfe von Ban können durch den Gebrauch von Pappe kostengünstig und zeiteffizient für temporäre, vorgefertigte Strukturen umgesetzt werden. Besonders in der schnellen Unterbringung von Katastrophenopfern sind Bans Werke gefragt. Für seine innovative Arbeit wurde Ban 2014 der Pritzker-Preis verliehen.

Katastrophenhilfe

Bild: Cardboard Cathedral – “All Just Looking” von Jocelyn Kinghorn. Lizenz:CC BY-SA 2.0

1994 kamen seine Konstrukte aus Kartonröhren zum ersten Mal als Flüchtlingsunterkünfte zum Einsatz als Ban die schlechten Bedingungen sah, unter denen die Geflüchteten des ruandischen Bürgerkriegs leben mussten. Ein Jahr später baute er das „Paper Log House“ und die „Papierkirche“ für ehemalige vietnamesische Flüchtlinge, die nach dem Erdbeben in Kobe keinen Platz mehr in den Notunterkünften der Regierung fanden. Nach diesen Erfahrungen gründete Ban die Nichtregierungsorganisation Voluntary Architects‘ Network (VAN), die weltweit Katastrophenhilfe durch den Bau pappbasierter Häuser, Brücken, Schulen, Konzerthallen und Museen anbietet. Seit der Gründung hat VAN Katastrophenhilfe unter anderem in der Türkei, Westindien, Sri Lanka, Italien, Haiti, Neuseeland und den Philippinen geleistet. Die Notunterkünfte mit Trennwandsystemen haben auch in Japan nach großen Erdbeben zu erheblichen Verbesserungen der Lebensqualität in den Unterkünften geführt.

Für den Bau seiner Notunterkünfte verwendet Ban häufig recycelbare Kartonröhren für Säulen, Wände und Balken. Diese sind nicht nur lokal verfügbar, sondern auch preiswert, leicht zu transportieren, zu montieren und zu demontieren sowie wasser- und feuerfest. Die einzelnen Sektionen werden außerdem durch Stoffvorhänge voneinander abgetrennt und bieten ihren temporären Bewohnern dadurch zusätzlich Privatsphäre. Auch im aktuellen Ukraine-Krieg haben Bans Unterkünfte bereits vielen ukrainischen Flüchtlingen ein temporäres Heim geboten. Direkt nach Ausbruch des Krieges wurde das System, das in knapp fünf Minuten errichtet werden kann, bereits in Lviv in der Westukraine, in Polen und Frankreich genutzt.

Ban entwickelt bis heute nachhaltige Material- und Struktursysteme. Neben seinen Kartonröhrenstrukturen hat er auch Strukturen aus laminiertem Bambus, Schiffscontainern und Holz ganz ohne Metallverbindungen entwickelt. Darüber hinaus hat Ban auch Möbel und Accessoires aus Kohlefasern entworfen.

Centre Pompidou-Metz

Bild: Centre Pompidou-Metz von FrDr. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Das Centre Pompidou-Metz – eine Dependance des Centre Pompidou in Paris – ist seit seiner Eröffnung in 2010 eine der meistbesuchten Kulturstätten Frankreichs außerhalb von Paris. Besonderes Markenzeichen ist die Dachstruktur. Sie gilt bis heute als eine der größten und komplexesten.

Der Grundriss des Centre Pompidou-Metz ist ein Sechseck mit einem 77 Meter hohen zentralen Turm – eine Anspielung auf das Eröffnungsdatum des ursprünglichen Centre Pompidou in Paris im Jahr 1977. Drei übereinander gestapelte Galerien erstrecken sich um den zentralen Turm und das Dach. Dieses spiegelt den Grundriss des Gebäudes wider. Für die geschwungene Konstruktion – die an das Rohrgeflecht eines chinesischen Hutes erinnert – wurde laminiertes Fichtenholz zu sechseckigen Holzelementen zusammenfügt. Die gesamte Holzstruktur kommt ohne Metallverbindungen aus und ist mit einer weißen Glasfasermembran und einer Teflon-Beschichtung bedeckt, die selbstreinigend ist und vor direkter Sonneneinstrahlung schützt.

Ban wollte dadurch eine Architektur schaffen, „die die Öffnung, die Verquickung der Kulturen und das Wohlbefinden in einer unmittelbaren und wahrnehmbaren Beziehung zur Umwelt zum Ausdruck bringt.“