Friedensreich Hundertwasser – Vorreiter der Grünen Architektur
Teil 9 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“
Friedensreich Hundertwasser
1928 – 2000
Österreichischer Architekt, Maler und Umweltaktivist
Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt war in vielem seiner Zeit voraus. Er war ein Rebell, ein Umweltaktivist, jemand, der heute einen neuen Lifestyle-Trend setzen würde. Damals, in den 1980er Jahren, aber war er eher ein Einsiedler. Dennoch haben die Werke des visionären Künstlers – ob Malerei oder Architektur – die Menschen geprägt und bewegt und sind heute so aktuell wie nie. Seine weltberühmten Häuser ohne gerade Linien, dafür bewachsen mit Bäumen und Sträuchern waren in den 1980er Jahren außergewöhnlich. Heute findet die Hundertwasser-Architektur, die den Menschen einbindet und die Umwelt schont, weltweit viele Nachahmer.
Friedrich Stowasser, wie Hundertwasser mit bürgerlichem Namen heißt, wurde 1928 in Wien geboren. Da sein Vater bereits etwa ein Jahr nach seiner Geburt verstarb, zog seine Mutter ihn alleine groß und schickte ihn auf die Montessori-Schule in Wien, wo der Künstler früh seine Vorliebe für Formen und Farben entwickelte. 1948/49 begann Hundertwasser folglich ein Studium der Bildenden Künste, welches er allerdings bereits nach wenigen Monaten wieder abbrach. In dieser Zeit begann der angehende Künstler, seine Werke mit Hundertwasser zu signieren (Sto- ist das slawische Wort für Hundert).
In den kommenden Jahren reiste Hundertwasser viel, lernte verschiedene Sprachen, beschäftigte sich mit Kunst und Politik und malte mit Leidenschaft die Natur, die er auf seinen Reisen entdeckte. Bereits 1952 stellte er in seiner Heimatstadt Wien zum ersten Mal seine Werke aus. Zu diesem Zeitpunkt lebte der engagierte Künstler in Paris, wo er sich mit der École de Paris auseinandersetzte und als Gegenentwurf den Transautomatismus formulierte. Darin forderte Hundertwasser, dass der Kunstbetrachtende aktiv, verantwortungsbewusst und gestaltend wahrnehmen solle. Während seiner Zeit in Japan Anfang der 1960er Jahre änderte Hundertwasser seinen Vornamen schließlich in Friedensreich. Dort und auch in anderen Ländern wie Österreich und Neuseeland kaufte er Grundstücke, die er mit heimischen Pflanzen und Bäumen bepflanzte. So könne er sie der Natur wieder zurückgeben, meinte der Umweltschützer und versorgte sich durch Windräder und Sonnenkollektoren so weit wie möglich selbst mit Nahrung und Strom.
In Hundertwassers Malerei, die unter anderem 1964 auf der documenta III in Kassel gezeigt wurde, finden sich abstrakt-dekorative, flächige und farbenprächtige Zeichnungen mit den charakteristischen ornamentalen Spiral- und Labyrinth-Formen, Kreisen, Mäandern und biomorphen Formen, die der Künstler auch auf seine Architektur übertrug. Besonders die Spirale als Kreislauf des Lebens faszinierte Hundertwasser und findet sich im Großteil seiner Projekte wieder. Damit einhergehend manifestierte sich seine Vorstellung von einer natur- und menschengerechteren Architektur. Bereits 1958 erklärte der angehende Architekt in seinem „Verschimmelungsmanifest“ seine Ablehnung gegen den Rationalismus, gegen gerade Linien und funktionelle Architektur. Jeder solle das Recht haben, sich aus dem Fenster zu beugen und seine Hausmauern zu bemalen. Die rationale, sterile Architektur und die damit einhergehende tödliche Eintönigkeit seien verantwortlich für das Elend der Menschen. Aufmerksamkeit erregten auch Hundertwassers Nacktreden 1967 in Wien und 1968 in München, in denen er die sterile Architektur und die Serienfabrikation der Industrie anprangerte.
1975 legte der Naturfreund den Grundstein für die Fassadenbegrünung: Bei der Triennale di Milano pflanzte er 15 „Baummieter“ durch Gebäudefenster. Mit seinem bekanntesten Objekt, dem 1985 fertiggestellten Hundertwasser-Haus in Wien, begann dann Hundertwassers eigentliche Arbeit im architektonischen Bereich. Unterstützt wurde er dabei von dem Architekten Peter Pelikan, mit dem er auch später verschiedene Werke umsetzte. Das Haus zeichnet sich durch seine unebenen Böden und krummen Formen sowie die 250 gepflanzten Bäume und Sträucher aus, die mittlerweile einen eigenen Park auf dem Hausdach bilden. Das weltberühmte Gebäude beherbergt etwa fünf Wohnungen und vier Geschäfte. Glitzernde Kuppeln und knallbunte Farben prägen nicht nur das Hundertwasser-Haus, sondern auch alle nachfolgenden Projekte. Inspiriert wurde Hundertwassers architektonischen Schaffen unter anderem von dem Künstler und Architekt Antoni Gaudi, der anonymen Architektur der Schrebergärten und auch von Märchenbüchern. Hundertwassers Werke wurden schnell zu Touristenmagneten und von der Bevölkerung positiv aufgenommen; unter Kollegen und Fachkritikern allerdings stießen sie gerade in den ersten Jahren seines Schaffens auch auf Ablehnung.
Hundertwassers Bauwerke bestechen durch ihre Lebendigkeit und Individualität, sie sehen aus, als seien sie natürlich gewachsen. Die Natur spiegelt sich darin wider und wird so eng wie möglich mit einbezogen. Zu den naturnahen Wohnmodellen des umweltbewussten Künstlers zählt beispielsweise auch das Augenschlitzhaus. Es ist derart in die Natur integriert, das man es fast nicht sehen kann. Dennoch liefern große Fenster und eine Lichtkuppel ausreichend Helligkeit. Bei Hundertwassers Hoch-Wiesen-Häusern wiederum werden kleine Wiesen und Wälder auf Etagen verteilt, darunter jeweils die Wohnungen angeordnet. Bei seinem Terrassenhaus schließlich wird die Waagrechte der Natur zugeordnet und die Senkrechte den Menschen. Damit zeigt Hundertwasser, wie sehr sich Mensch und Natur verbinden sollen und bekräftigt damit einmal mehr sein berühmtes Motto: „Nur, wenn Du den Baum liebst wie Dich selbst, wirst Du überleben.“