Margarete Schütte-Lihotzky – die Erfinderin der Einbauküche

Teil 10 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Margarete Schütte-Lihotzky
1897 – 2000
Österreichische Architektin

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges lebten in den Wiener Arbeiterwohnungen sieben bis acht Personen auf engstem Raum unter schwierigsten sanitären Verhältnissen zusammen. Als die 20 Jahre junge Architekturstudentin Margarete Lihotzky zu Studienzwecken diese Verhältnisse erlebt, erhält sie den Impuls für ihren zukünftigen beruflichen Schwerpunkt: die soziale Architektur.

Margarete Lihotzky wurde am 23. Januar 1897 in Wien als zweite Tochter einer Beamtenfamilie geboren. Sie studierte an der heutigen Universität für angewandte Kunst in Wien als eine der ersten Frauen Architektur und Baukonstruktionslehre. Für sie bestand Architektur aus dem Reiz der Verbindung von gesellschaftlich-sozialen, technisch-wissenschaftlichen und künstlerischen Herausforderungen. Bereits mit 22 Jahren gewann sie einen Preis für ein Arbeiterwohnungsprojekt. Damit begann ihre Karriere als Bauplanerin: Im Anschluss an ihr Studium wurde sie ins Städtische Siedlungsamt gerufen, wo sie unter dem Chefarchitekten Alfred Loos erste Projekte umsetzte. Dazu gehörte beispielsweise die „Siedlerhütte“, die unter perfekter Raumausnutzung als Unterkunft für die vielen Flüchtlingsfamilien nach Ende des ersten Weltkrieges dienen sollte. Die raumeffizienten Behausungen halfen auch dabei, die vielen obdachlosen Arbeiter, die vom Land in die Stadt gezogen waren, unterzubringen, so dass sich die Wohnungsnot in Wien langsam verbesserte.

Dem Massenwohnungsbau widmete sich Margarete Lihotzky danach in Frankfurt, wo sie nach dem Tod ihrer Eltern im Jahr 1926 hinzog und ihren Mann, den Architekten Wilhelm Schütte, kennenlernte. Hier entwickelte sie neben vorproduzierten Möbeln für den Stadtplaner Ernst May die Frankfurter Küche.

Frankfurter Küche – die Revolution für die Hausfrau

Das erste Modell der Frankfurter Küche, dem Urtyp der Einbauküche, entwickelte Schütte-Lihotzky 1926 und erregte damit großes Aufsehen in der Architektenwelt. Alle wichtigen Dinge sollten mit einem Handgriff erreichbar sein, eine Vielzahl von Gerätschaften die Arbeitsgänge verkürzen. Das Ziel: Die Arbeitsabläufe zu optimieren, dass der Hausfrau mehr Zeit für die Familie bleibt. Das Design war schlicht und funktional, sichtbare Holzteile wurden blau-grün gestrichen, da diese Farben die Fliegen fernhalten sollten. Viele Elemente ließen sich herunterklappen oder hervorziehen, je nach Tätigkeit in der Küche.

Die Einzelteile waren modular konzipiert, so dass die Küche in großen Mengen kostengünstig und bezahlbar auch für Arbeiterfamilien produziert werden konnte. Während des Frankfurter Wohnungsbauprogramms Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre wurde so gut wie jede neugebaute Gemeindewohnung mit dieser Küche ausgestattet, insgesamt etwa 10.000.

Vom Schulenbau bis zum Widerstand

Da sich Ende der 20er Jahre die politische Situation in Deutschland für die Kommunistin Margarete Schütte-Lihotzky deutlich verschlechterte, nahmen sie und ihr Mann das Angebot von Ernst May an, ihn in die Sowjetunion zu begleiten. Auch dort kamen ihre Fähigkeiten im Bereich des sozialen Wohnbaus zum Einsatz, zum Beispiel bei der Planung der Industriestadt Magnitogorsk. Bis 1937 konnte sie dort Kindergärten und Schulen planen und bauen. Danach fand das Paar über Umwege nach Istanbul, wo sich Margarete Schütte-Lihotzky dem österreichischen Widerstand anschloss. Verraten, wochenlang verhört und schließlich als Hochverräterin verurteilt, musste sie drei Jahre in einem Frauengefängnis in Bayern ausharren, bevor sie 1945 von den Amerikanern befreit wurde.

Nach dem Krieg kehrte Grete Schütte-Lihotzky mit ihrem Mann nach Wien zurück, erhielt als Anhängerin der Kommunistischen Partei aber kaum öffentliche Aufträge. Dafür engagierte sie sich in Ländern wie China, der DDR oder Kuba in der Friedens- und Frauenbewegung. Zu Beginn der 1980er begann eine breite Öffentlichkeit ihr Engagement zu würden. Sie erhielt unter anderem den Architekturpreis der Stadt Wien (1980) und den Ehrenmedaille der Stadt Wien (1992).