Shigeru Ban – innovativer Philanthrop

Teil 26 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Shigeru Ban
*1957 in Tokio, Japan
japanischer Architekt

„Shigeru Ban ist eine Naturgewalt, was angesichts seiner ehrenamtlichen Arbeit für Obdachlose und Enteignete in Gebieten, die von Naturkatastrophen verwüstet wurden, durchaus angemessen ist. Aber er erfüllt auch alle Voraussetzungen für die Aufnahme in das Pantheon der Architektur – ein profundes Wissen über sein Fachgebiet mit besonderem Schwerpunkt auf modernsten Materialien und Technologien, absolute Neugier und Engagement, unendliche Innovation, ein untrügliches Auge, eine ausgeprägte Sensibilität – um nur einige zu nennen.“ – Lord Palumbo, Vorsitzender der Pritzker-Preis-Jury

Bild: Mt.Fuji World Heritage Centre von Mr.Asylum. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Shigeru Bans Architektur ist von der Einfachheit des traditionellen japanischen Architekturstils geprägt. Diesen interpretiert er in seinen Gebäuden mithilfe von westlichen Einflüssen neu. Der gebürtige Japaner studierte zuerst in Los Angeles und anschließend in New York Architektur und gründete 1985 sein eigenes Architekturbüro in Tokio.

Bauten aus recycelter Pappe

Ban ist vor allem für die Verwendung der in der Architekturwelt eher untypischen Materialien Papier und Pappe in seinen Bauten bekannt. Bereits kurz nach der Gründung seines Architekturbüros entwickelte er sein Markenzeichen: Strukturen aus recycelten Kartonröhren. Für die EXPO 2000 in Hannover fertigte er den japanischen Pavillon aus Karton an, um das Potenzial des Materials im Bau unter Beweis zu stellen. Zusammen mit dem deutschen Architekten Frei Otto entwarf Ban eine 72 Meter lange Gitterschalen-Konstruktion, die nach der Ausstellung recycelt und wieder zu Papiermasse verarbeitet werden konnte.

Viele Entwürfe von Ban können durch den Gebrauch von Pappe kostengünstig und zeiteffizient für temporäre, vorgefertigte Strukturen umgesetzt werden. Besonders in der schnellen Unterbringung von Katastrophenopfern sind Bans Werke gefragt. Für seine innovative Arbeit wurde Ban 2014 der Pritzker-Preis verliehen.

Katastrophenhilfe

Bild: Cardboard Cathedral – “All Just Looking” von Jocelyn Kinghorn. Lizenz:CC BY-SA 2.0

1994 kamen seine Konstrukte aus Kartonröhren zum ersten Mal als Flüchtlingsunterkünfte zum Einsatz als Ban die schlechten Bedingungen sah, unter denen die Geflüchteten des ruandischen Bürgerkriegs leben mussten. Ein Jahr später baute er das „Paper Log House“ und die „Papierkirche“ für ehemalige vietnamesische Flüchtlinge, die nach dem Erdbeben in Kobe keinen Platz mehr in den Notunterkünften der Regierung fanden. Nach diesen Erfahrungen gründete Ban die Nichtregierungsorganisation Voluntary Architects‘ Network (VAN), die weltweit Katastrophenhilfe durch den Bau pappbasierter Häuser, Brücken, Schulen, Konzerthallen und Museen anbietet. Seit der Gründung hat VAN Katastrophenhilfe unter anderem in der Türkei, Westindien, Sri Lanka, Italien, Haiti, Neuseeland und den Philippinen geleistet. Die Notunterkünfte mit Trennwandsystemen haben auch in Japan nach großen Erdbeben zu erheblichen Verbesserungen der Lebensqualität in den Unterkünften geführt.

Für den Bau seiner Notunterkünfte verwendet Ban häufig recycelbare Kartonröhren für Säulen, Wände und Balken. Diese sind nicht nur lokal verfügbar, sondern auch preiswert, leicht zu transportieren, zu montieren und zu demontieren sowie wasser- und feuerfest. Die einzelnen Sektionen werden außerdem durch Stoffvorhänge voneinander abgetrennt und bieten ihren temporären Bewohnern dadurch zusätzlich Privatsphäre. Auch im aktuellen Ukraine-Krieg haben Bans Unterkünfte bereits vielen ukrainischen Flüchtlingen ein temporäres Heim geboten. Direkt nach Ausbruch des Krieges wurde das System, das in knapp fünf Minuten errichtet werden kann, bereits in Lviv in der Westukraine, in Polen und Frankreich genutzt.

Ban entwickelt bis heute nachhaltige Material- und Struktursysteme. Neben seinen Kartonröhrenstrukturen hat er auch Strukturen aus laminiertem Bambus, Schiffscontainern und Holz ganz ohne Metallverbindungen entwickelt. Darüber hinaus hat Ban auch Möbel und Accessoires aus Kohlefasern entworfen.

Centre Pompidou-Metz

Bild: Centre Pompidou-Metz von FrDr. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Das Centre Pompidou-Metz – eine Dependance des Centre Pompidou in Paris – ist seit seiner Eröffnung in 2010 eine der meistbesuchten Kulturstätten Frankreichs außerhalb von Paris. Besonderes Markenzeichen ist die Dachstruktur. Sie gilt bis heute als eine der größten und komplexesten.

Der Grundriss des Centre Pompidou-Metz ist ein Sechseck mit einem 77 Meter hohen zentralen Turm – eine Anspielung auf das Eröffnungsdatum des ursprünglichen Centre Pompidou in Paris im Jahr 1977. Drei übereinander gestapelte Galerien erstrecken sich um den zentralen Turm und das Dach. Dieses spiegelt den Grundriss des Gebäudes wider. Für die geschwungene Konstruktion – die an das Rohrgeflecht eines chinesischen Hutes erinnert – wurde laminiertes Fichtenholz zu sechseckigen Holzelementen zusammenfügt. Die gesamte Holzstruktur kommt ohne Metallverbindungen aus und ist mit einer weißen Glasfasermembran und einer Teflon-Beschichtung bedeckt, die selbstreinigend ist und vor direkter Sonneneinstrahlung schützt.

Ban wollte dadurch eine Architektur schaffen, „die die Öffnung, die Verquickung der Kulturen und das Wohlbefinden in einer unmittelbaren und wahrnehmbaren Beziehung zur Umwelt zum Ausdruck bringt.“