Ursulina Schüler-Witte & Ralf Schüler – Dream-Team der Pop-Architektur
Teil 28 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“
Ursulina Schüler-Witte
*1933 in Berlin
†2022 in Berlin
deutsche Architektin
Ralf Schüler
*1930 in Berlin
†2011 in Berlin
deutscher Architekt
„Ralf war der geniale, äußerst innovative und kreative Architekt und der detailsichere Konstrukteur, während ich ihn oft mit meinen unkonventionellen und phantasievollen Einfällen überraschte.“ – Ursulina Schüler-Witte über die Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann.
Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte waren privat wie beruflich ein eingespieltes Team. Seine technische Begabung ergänzte sich mit ihren kreativen Einfällen und zusammen erschuf das Architektenpaar Ikonen der Berliner Architektur. Die Handschrift ihrer bekanntesten Werke ist dabei geprägt von der Zurschaustellung technischer Elemente, der plastischen Gestaltung sowie dem ständigen Experimentierten mit neuen Baumethoden und Materialien.
Ursulina Witte studierte Architektur an der Technischen Universität Berlin, wo sie 1953 ihren späteren Ehemann Ralf Schüler kennenlernte. Im Jahr 1967 eröffnete das Ehepaar sein eigenes Architekturbüro in Berlin. Dank ihres Beitrags zum Wettbewerb zur Gestaltung des U-Bahnhofs Blissestraße konnten die jungen Architekten früh auf sich aufmerksam machen und wurden im selben Jahr der Gründung ihres Architekturbüros bereits mit der Gestaltung des U-Bahnhofs Schloßstraße beauftragt.
U-Bahnhof Schloßstraße
Im Jahr 1974 eröffnet, ist der U-Bahnhof Schloßstraße ganz ein Kind seiner Zeit. In ihren Entwürfen haben sich Schüler & Schüler-Witte von Anfang an von den strengen Rasterfassaden der Nachkriegsarchitektur abgelöst und stattdessen Einflüsse der High-Tech-Architektur mit der so genannten Pop-Architektur verknüpft. Dazu haben Schüler & Schüler-Witte viele Wandelemente in knalligen Blau-, Gelb-, Orange- und Rottönen gestaltet und die Treppenschächte sowie die Verteilerebene in dunklen Blau- und Grüntönen gekachelt oder gestrichen. Die neuartige Verwendung von knallig buntem Kunststoff für die Schriftelemente der Station geben dem Bahnhof nicht nur einen sehr plastischen, sondern auch verspielten Charakter. Die Decken bestehen überwiegend aus Sichtbeton. Der U-Bahnhof sollte einen multidimensionalen Verkehrsknotenpunkt bilden, der die Bundesautobahn mit dem Steglitzer Kreuz verband. Um diesen Knotenpunkt auch überirdisch zu betonen, entwarfen Schüler & Schüler-Witte zusätzlich noch einen auffälligen Turm, der bis heute bei den Berlinern als „Bierpinsel“ bekannt ist.
Bierpinsel
Den Namen „Bierpinsel“ erhielt das 47 Meter hohe Gebäude schon während seiner Entstehung: Zum einen erinnerte der untere schmale Teil des Turms die Berliner während des Bauens an einen Rasierpinsel, zum anderen entstand der Spitzname durch die geplante Nutzung des Gebäudes als Gastronomie. Schüler & Schüler-Witte selbst hatten die Architektur ursprünglich an die Form eines Baumes angelehnt. Der 1976 fertiggestellte Turm aus Sichtbeton ist ein Sinnbild der Pop-Architektur, was nicht nur an der auffälligen Form des aufgesetzten mehreckigen Körpers des Turms erkennbar ist, sondern auch an seiner ursprünglich knallroten Farbe. In den Bierpinsel gelangt man über den extra daneben angebauten Treppenturm. Durch die Integration des Turms in die Joachim-Tiburtius-Brücke wollten Schüler & Schüler-Witte die Hochstraße besser in die Stadtstruktur einbinden. Das außergewöhnliche Bauwerk ist heute das Wahrzeichen von Berlin-Steglitz und steht zusammen mit dem U-Bahnhof Schloßstraße unter Denkmalschutz.
Internationales Congress Centrum Berlin
1966 gewannen Schüler & Schüler-Witte den Wettbewerb für das Kongresszentrum Berlin. Die Anforderungen des Senats an die Architekten war es, das größte, modernste und erfolgreichste Kongresszentrum Europas zu entwerfen. Ihre ursprünglichen Entwürfe für das Kongresszentrum mussten Schüler & Schüler-Witte über den Haufen werfen, nachdem das ihnen zugewiesene Gelände für den Bau für ihre Pläne viel zu klein war. Dadurch war klar, dass das Gebäude insgesamt länger, aber schmaler werden musste und die Räume über-, statt nebeneinander gebaut werden mussten. Der bekannte futuristisch anmaßende Bau mit der Aluminium-Fassade im High-Tech-Architekturstil entstand daher aus reiner Zweckmäßigkeit. Die Tragkonstruktion der Säle und die Dachkonstruktion bestehen aus zwei getrennten Bauten, um den Lärm der Umgebung auszuschließen. Um den Zweck des Gebäudes – Kommunikation – auch architektonisch darzustellen, haben Schüler & Schüler-Witte auf Transparenz gesetzt. So gibt es im Inneren über dem Erdgeschoss keine abschließende Etagentrennung, sondern seitliche Öffnungen, die einen Blick auf die Konstruktion und zu den oberen Sälen ermöglichen. Im Jahr 1979 wurde das ICC Berlin schließlich eröffnet mit einer Länge von 313 Metern, einer Breite von 89 Metern und einer Höhe von fast 40 Metern sowie 80 Sälen und Räumen.
Neben diesen prägenden Ikonen West-Berlins hat das Ehepaar auch eine Vielzahl von Wohnhäusern, Brücken, Museen und anderen öffentlichen Bauten ebenso wie die Denkmale für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht entworfen. 2015 hat Ursulina Schüler-Witte selbst eine Biografie über die Werke von ihr und ihrem Mann veröffentlicht: Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte. Eine werkorientierte Biographie der Architekten des ICC.