Arno Lederer- Moderne mit Charakter

Teil 30 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Arno Lederer
*1947 in Stuttgart
†2023 in Stuttgart
deutscher Architekt

„Wir wollen Architektur nicht zwanghaft neu erfinden, vielmehr versuchen wir, aus der langen Geschichte des Bauens zu lernen – ohne dabei einem Historismus zu verfallen“ – Lederer, Ragnarsdottir & Oei

Lederers Architektur zeichnet sich durch eine besondere Sensibilität für den Kontext seiner Projekte aus. Seine Bauten meistern dabei die Gradwanderung zwischen neu und alt. Sie besitzen eine eigenständige, zeitgenössische Formensprache und stehen dennoch in einem harmonischen Dialog mit ihrer Umgebung. Die Bauten seines Architekturbüros LRO (Gründung 1979, im Jahr 1985 und 1992 kamen erst Jórunn Ragnarsdottir und anschließend Marc Oei als Partner dazu) unterscheiden sich von der Kühle anderer Gebäude der modernen Architektur meist durch verspielte Elemente wie Ziegelfassaden, Erker, runde Treppenhäuser oder auch Parabelbogen. Lederer war ein klarer Unterschied zwischen drinnen und draußen wichtig, weshalb er nicht viel von transparenten Glasfassaden hielt. Innenräume sollten seiner Meinung nach Geborgenheit vermitteln, ein Raum Charakter und Atmosphäre besitzen. Sein Fokus galt überwiegend dem Bau von Sozialbauten, Schulen, Theatern und Museen.

Neben der Architektur hatte Lederer bis 2014 mehrere Professuren an der HAT Stuttgart, der Universität Karlsruhe und der Universität Stuttgart inne. Sein Mentor war der bekannte deutsche Architekt und Preisrichter Max Bächer.

Bild: „Ravensburg, Kunstmuseum“ von Andreas Praefcke. Lizenz: CC BY 3.0

Kunstmuseum Ravensburg

Der Neubau des Kunstmuseums Ravensburg sollte die Städtische Galerie Ravensburg ersetzen, aber sich optisch trotzdem in die historischen Fassaden der Stadt einfügen – ohne auf eine eigene Identität zu verzichten. Zwischen 2010 und 2013 entstand der Neubau nach Plänen von LRO in der Altstadt. Lederer und seine Partner entwarfen das Gebäude als weltweit erstes Passivhaus-Museum: Zur Senkung des Energieverbrauchs ist die Außenwand überwiegend fensterlos und besteht aus einer Schicht Beton, einer 24 cm dicken Dämmung und einer Verkleidung aus wiederverwendetem Klinker. Das Gebäude ist unterteilt in einen zentralen, beinahe quaderförmigen Hauptbau mit drei übereinanderliegenden Ausstellungsräumen und zwei niedrigeren Anbauten. Ein optisches Highlight bildet das Dach, welches aus geschwungenen Strukturen besteht und durch ein Ziegelgewölbe abgeschlossen wird. Für dieses innovative Design gewann das Architekturbüro LRO unter anderem den Deutschen Architekturpreis und den DAM-Preis für Architektur in Deutschland.

Historisches Museum Frankfurt

Bild: Historisches Museum Frankfurt von Simsalabimbam. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Im Herzen Frankfurts, auf dem Römerberg, stand bis in die 2010er das alte Historische Museum Frankfurts. Das Museum bestand aus einer Mischung aus historischen Gebäuden und einem Siebzigerjahre Betonanbau, welcher ersetzt werden musste. Lederer und sein Architekturbüro konnten den internationalen Wettbewerb der Stadt Frankfurt für den Neubau des Museums für sich entscheiden. Ziel war es, dass der Neubau mit den bestehenden historischen Gebäuden optisch eine Einheit bildet. LRO haben zusätzlich zwischen den beiden Gebäuden des Neubaus einen städtischen Platz eingeplant, unter dem es eine Verbindung der Bauten gibt. Dadurch wirkt das 2017 neu eröffnete Historische Museum wie ein eigenes kleines Stadtviertel. Diese Öffnung zur Frankfurter Altstadt schafft eine Balance zwischen der örtlichen Nachkriegsmoderne und der roten Sandsteingotik des Museums. Das kleinere Gebäude der beiden Neubauten wurde nach historischem Vorbild an den alten Saalhof angebaut und bildet mit diesem architektonisch eine Einheit. Der zweite Neubau fungiert als großes Ausstellungshaus. Auch bei den Baumaterialien haben LRO sich am Vorbild der historischen Häuser auf dem Römer orientiert. So bestehen die Bauten überwiegend aus Mainsandstein, Basalt und Naturputz, während die Dächer mit Naturschiefer gedeckt sind. Dadurch schließen sie optisch an den Römer, den Dom und das Karmeliterkloster an. Ein großer Erker mit Panorama-Fenster verbindet die beiden spitzen Satteldächer des Ausstellungshauses und schafft so eine Verschmelzung von Moderne und Historie.

Münchner Volkstheater

Bild: Volkstheater München von HubertST. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Im Jahr 2017 gewannen Lederer und sein Büro den europaweiten Wettbewerb für den Neubau des Münchner Volkstheaters. In den Entwurf des Neubaus auf dem Gelände des ehemaligen Schlacht- und Viehhofs musste zusätzlich ein Gebäudeflügel der Bestandsbauten aus denkmalschutzgründen mitintegriert werden. Deshalb beschloss Lederer, sich der Optik der Ziegelbauten des Schlachthofs zu bedienen und auch für die Gebäudehülle des Theaterneubaus roten Ziegelstein zu verwenden. Alt- und Neubau werden zusätzlich durch einen großen Torbogen verbunden, der einen, sich zur Straße hin öffnenden Innenhof überspannt. Der 29 Meter hohe Bühnenturm setzt sich über das Dach des Neubaus fort und besticht durch eine semi-transparente Membranfassade. Eine Gitterkonstruktion aus gefalteten Metallstäben umschließt die technischen Anlagen des Neubaus. Das Theater wurde 2021 fertiggestellt. Noch im selben Jahr gewannen LRO für die Wiedererschließung des Areals den polis Award für Stadt- und Projektentwicklung in der Kategorie „reaktivierte Zentren“.