Vincent Callebaut – Visionär nachhaltiger Architektur

Teil 23 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Vincent Callebaut
*1977 in La Louvière, Belgien
belgischer Architekt

„Ich möchte Städte in Ökosysteme verwandeln, Nachbarschaften in Wälder und Gebäude in Bäume“ – Vincent Callebaut.

Vincent Callebauts zukunftsweisende Architektur ist inspiriert von der Literatur von Jules Verne, von Science-Fiction, von der kreativen Welt der Comics und von der Natur. In seinem Büro sowie in Zusammenarbeit mit renommierten ausländischen Architekturbüros entwirft er zahlreiche futuristische und extravagante Projekte, deren bevorzugtes Thema die „ideale ökologische Stadt von morgen“ ist. Vor dem Hintergrund der Prognose eines Anstiegs der Weltbevölkerung auf 9 Milliarden Menschen bis zum Jahr 2050 experimentiert Callebaut intensiv mit Ideen für ein utopisch-ökologisches Stadtleben. Er möchte Gebäude erschaffen, die dem Klimawandel aktiv entgegenwirken. Seine Entwürfe sollen dabei nicht nur energieautark sein, sondern auch bestehende Luftverschmutzungen bereinigen.

Geboren wurde der Visionär für grüne Architektur in La Louvière in Belgien. 2000 absolvierte er seinen Abschluss in Architektur an der Freien Universität Brüssel und zog im Anschluss nach Paris. Dort arbeitete Callebaut zwei Jahre lang für die Stadtplanungsarchitekten Odile Decq und Massimiliano Fuksas, bevor er sein eigenes Architekturbüro „Vincent Callebaut Architectures“ gründete. Die Weltausstellung 2010 in Shanghai verschaffte Callebaut internationale Bekanntheit und Anerkennung. In sieben Pavillons, darunter der chinesische und der deutsche, wurden mehrere seiner Projekte ausgestellt. Die Projekte „Dragonfly“ und „Lilypad“ zählen zu seinen bekanntesten Entwürfen.

Dragonfly

Callebauts „Dragonfly“ ist der Entwurf für einen exotischen Wolkenkratzer in New York. Er besitzt die Form riesiger Libellenflügel aus Glas und Stahl, wobei die beiden Flügel durch ein bioklimatisches Gewächshaus verbunden sind. Die Dragonfly/Libelle ist der Prototyp einer städtischen Farm und umfasst 132 Stockwerke sowie eine vertikale Ausdehnung von 600 Metern mit Gemüsegärten, Feldern sowie Fleisch-, Milch-, Geflügel- und Eierproduktion, in denen die Menschen ihre eigenen Lebensmittel anbauen. Das zukunftsweisende Hochhaus bietet Platz für 28 verschiedene landwirtschaftliche Produktionsfelder, ist energie- und wasserautark und produziert sein eigenes biologisches Düngemittel. Die Zwischenräume der Flügel sind so konzipiert, dass sie die Sonnenenergie nutzen, indem sie im Winter warme Luft in der Struktur ansammeln. Im Sommer kühlen die natürliche Belüftung und die Verdunstung der Pflanzen das Gebäude ab.

Lilypad

Mit seiner „Lilypad“ hat Callebaut einen biotechnologischen Prototyp für schwimmende Städte entwickelt. Das von der stark gerippten Blattform der Amazonas-Riesenseerose inspirierte Stadtmodell ist als Langzeitlösung für zukünftige Klimaflüchtlinge gedacht. Die doppelte Haut der Struktur besteht aus Polyesterfasern, die mit einer Schicht aus Titandioxid überzogen sind. Das Titandioxid reagiert mit ultravioletten Strahlen und absorbiert durch seine photokatalytische Wirkung die Luftverschmutzung. Lilypad ist als eine autarke Stadt angelegt und bietet Platz für 50.000 Personen. Jede Seerose besteht aus drei Yachthäfen und drei „Bergen“, die für Unterhaltungszwecke gedacht sind. Eine zentral gelegene künstliche Lagune hat die Aufgabe, Wasser zu sammeln und zu reinigen. Durch die Integration aller erneuerbaren Energien soll die schwimmende Stadt eine positive Energiebilanz ganz ohne Kohlenstoff-Emissionen erreichen und dauerhaft mehr Energie produzieren als verbraucht wird.

Tao Zhu Yin Yuan

Der grüne Wohnturm in Taipeh (2013-2018) ist eines der wenigen bereits realisierten Projekte Callebauts. Er ist der Struktur der Doppelhelix der DNA nachempfunden, wobei jede Doppelhelix aus zwei Wohneinheiten besteht, die eine Ebene bilden. Die um 90 Grad verdrehte Struktur des Gebäudes ermöglicht Freiluftgärten auf jeder Ebene und eine Panorama-Aussicht für jede Wohneinheit. Insgesamt wachsen rund 23.000 Bäume, Sträucher und Pflanzen auf den Freiflächen des 20-stöckigen Turms. Dadurch können jährlich 130 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen absorbiert werden. Tao Zhu Yin Yuan verfügt zusätzlich über natürliche Lüftungskamine, die die Luft im Inneren filtern und eine Konstruktion zur Sammlung und Aufbereitung von Regenwasser sowie Solar- und Windkraft. Auch alle im Inneren verwendeten Materialien sind umweltfreundlich, ökologisch und recyclebar.

The Green Arch

Für die Expo 2020 in Dubai entwarf Callebaut zusammen mit Assar Architects den belgischen Pavillon “The Green Arch” – eine beeindruckende Kombination aus intensiver Begrünung und futuristischem Massivholz-Design. Der Pavillon ist als Beispiel für eine nachhaltige Stadtentwicklung gedacht und bietet Besuchern einen Einblick in ein smartes und grünes Belgien im Jahr 2050. Das Gebäude verfügt über ein große photovoltaisches und thermisches Solardach, das Strom und Warmwasser für den Eigenverbrauch des Pavillons erzeugt. Gemäß seines Namens wurde der „grüne Bogen“ optisch an den Brückenbau angelehnt: Er bildet ein riesiges Gewölbe mit doppelter Krümmung zwischen seinen beiden Pfeilern. Das geschwungene Gewölbe basiert auf der mathematischen Minimalfläche, dem „hyperbolischen Paraboloid“. Dieses Paraboloid aus Fichtenholzlamellen bildet eine riesige hölzerne Mashrabiyya und umhüllt das gesamte Gebäude, um es besser vor Sonneneinstrahlung zu schützen.

 

 

Weitere aufsehenerregende Projekte von Vincent Callebaut sind sein nachhaltiges Konzept “Paris Smart City 2050”, die Neugestaltung von Aix-les-Bains, der Pollinator-Park der Europäischen Kommission sowie seine fünf Landwirtschaftsbrücken im Irak.