Kengo Kuma – Olympiastadion zwischen Pagode und Solartechnik

Teil 20 der Plateau RED-Reihe „Inspirierende Persönlichkeiten der Architektur“

Kengo Kuma
(*1954 in Yokohama, Japan)
Japanischer Architekt

Kengo Kuma hat das neue Nationalstadion in Tokio bewusst im Kontrast zu den berühmten Bauten für die Olympischen Spiele in Tokio im Jahr 1964 entworfen: „Kenzo Tange und seine nationale Sporthalle ,Yoyogi‘ sind ein Symbol oder ein Produkt einer Zeit der Expansion und des starken Wirtschaftswachstums, was sich in ihrem hohen, harten und maskulinen Design widerspiegelt. Was das Japanische Nationalstadion betrifft, so wollte ich unsere eigene Zeit widerspiegeln. Das starke Wachstum ist nun vorbei, die Bevölkerung schrumpft und altert, und die Menschen auf der ganzen Welt achten mehr denn je darauf, die Umwelt zu erhalten und zu pflegen. Ich tendiere in gewisser Weise zu einem sanfteren oder feminineren Design, und das neue Stadion steht für diesen Trend.“

Kuma erwarb seinen Master-Abschluss in Architektur an der Universität Tokio in 1979, wo er heute auch als Universitätsprofessor tätig ist. Kenzo Tanges Sporthalle ,Yoyogi‘, die für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio gebaut wurde, hat für Kengo Kuma eine ganz besondere Bedeutung: Sie inspirierte ihn schon in jungen Jahren, sich der Architektur zu widmen. Er nahm später am Architekturprogramm der Universität Tokio teil, wo er bei Hiroshi Hara und Yoshichika Uchida studierte. Während seines Studiums unternahm er Forschungsreisen, beispielsweise durch die Sahara, wo er Dörfer und Siedlungen erkundete. Es folgte eine Zeit als Gastforscher an der Columbia University in New York (1985-86). Danach eröffnete er 1987 sein Büro „Spatial Design Studio“ (heute „Kengo Kuma & Associates“) in Tokio, 2008 folgte sein Pariser Büro.

Seitdem hat Kengo Kuma & Associates Gebäude in mehr als zwanzig Ländern entworfen und dafür einige renommierte Auszeichnungen erhalten, darunter den Architectural Institute of Japan Award, den Spirit of Nature Wood Architecture Award (Finnland), den International Stone Architecture Award (Italien) und den Global Award for Sustainable Architecture. Kengo Kumas Anspruch ist es, Gebäude zu entwerfen, die auf natürliche Weise mit ihrer kulturellen und ökologischen Umgebung verschmelzen. Dafür ist er ständig auf der Suche nach neuen Materialien, um Beton und Stahl zu ersetzen. Sein Ziel ist es, einen neuen Ansatz für die Architektur in einer postindustriellen Gesellschaft zu finden.

Japans neues Olympiastadion

Bild: „Olympiastadion“ von RuinDig. Lizenz: CC BY 4.0

Eines seiner jüngsten Werke ist der Neubau des Nationalstadions in Tokio, das auf dem Grund des alten Nationalstadions von 1958 errichtet wurde. Kuma gewann den Wettbewerb um den Neubau des Olympiastadions mit einem Entwurf, der konventionell, baubar und behaglich ist. Für das Stadion, das aktuell für die Olympischen Spiele 2021 genutzt wird und Platz für rund 60 000 Zuschauer bietet, hat Kuma in Anlehnung an traditionelle japanische Bauweisen viele Holzelemente eingesetzt.

Das Stadion hat insgesamt drei Ränge und das beeindruckende Stabwerk im Dach soll an die Pagode Gojunoto bei Nara erinnern. Der Bau ist ein Hybrid aus traditionellen Holzbauten und Stahl. Zum Schutz der Besucher vor der Sonne hat Kuma Grünpflanzen in Trögen angebracht und der Dachrand sammelt die Sonnenenergie in Solarpaneelen. Die Sitzplätze sind in fünf erdigen Farbtönen gestaltet und bilden ein Mosaik, das an einen von Sonnenstrahlen durchfluteten Wald erinnern soll. Auch im Inneren des Stadions finden sich viele traditionelle Elemente: So illuminieren beispielsweise japanische Laternen das Stadion und in den Gesellschaftsräumen scheint Tageslicht durch Shoji-Wände.

Lichtspiel und Transparenz

Bild: „Asakusa Culture Tourism Centre“ von Kakidai. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Auch bei seinen anderen Bauten ist Kuma bekannt für die Verwendung von Holz und die Integration traditioneller Handwerkskunst der Holzbearbeitung, Zimmerei und Schreinerei. Diese kombiniert er mit modernen Materialien wie Stahl oder Karbonfaser, um die Langlebigkeit, aber auch die Sicherheit bei Erdbeben zu erhöhen. Generell entscheidet sich Kuma nie zu Beginn eines Projektes für ein Material, sondern studiert den Ort so sorgfältig wie möglich. Er will dabei herausfinden, welche Materialien am besten geeignet sind, um das Gleichgewicht des Ortes zu erhalten. Damit wendet er sich gegen die großen, kastenförmigen Gebäude aus Beton, die einen Großteil der Architektur in den Städten des späten 20. Jahrhunderts ausmachen. Zu den von Kuma bevorzugten und häufig verwendeten „alternativen“ Werkstoffen gehören neben Holz auch Stein, Keramik, Bambus, Kunststoff und Vinyl.

Bild: „Hongkou SOHO“ von AsAuSo. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die Lichtführung ist für seine Konstruktionen ebenfalls von grundlegender Bedeutung, mit der er ein Gefühl der „räumlichen Immaterialität“ zu erreichen versucht. Kuma sagt über seinen Schaffensprozess: „Man könnte sagen, dass es mein Ziel ist, den Ort ,zurückzugewinnen‘. Der Ort ist das Ergebnis von Natur und Zeit; das ist der wichtigste Aspekt. Ich denke, meine Architektur ist eine Art Rahmen für die Natur. Durch sie können wir die Natur tiefer und intimer erleben. Transparenz ist ein Merkmal der japanischen Architektur. Ich versuche, Licht und natürliche Materialien zu nutzen, um eine neue Art von Transparenz zu erreichen.“

Beispielhaft dafür sind etwa das Plastic House (2002) und das Asakusa Culture Tourist Information Center (2012) in Tokio oder das Fonds Régional D’art Contemporain (FRAC) in Marseille (2012). Letzteres zeichnet sich durch eine Fassade aus, die mit halbtransparenten Glasscheiben verkleidet ist. Bekannt sind auch Kumas ausdrucksstarken „dekorierten“ Fassaden, wie beim Komplex Wuxi Vanke (2014) und dem Wolkenkratzer Hongkou Soho in Shanghai (2015). Eines der Gebäude, das bis heute seine architektonische Vision besonders eindrucksvoll repräsentiert, ist das Water/Glass House in Atami in Japan (1995), ein Gästehaus, das quasi auf dem Meer erbaut wurde.

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