Die Bürowelt in Corona-Zeiten

„Corona-Pandemie dämpft die Umsätze am Büromarkt“ titelt die ImmobilienZeitung letzte Woche – und die Meldungen über sinkende Umsatzzahlen in den Büromärkten überschlagen sich: 45 Prozent Rückgang in Berlin, 62 Prozent in Stuttgart, über 50 Prozent in Frankfurt … Hauptursache: die Corona-Epidemie mit dem daraus resultierenden Trend zum mobilen Arbeiten. Wie geht es in Zukunft weiter? Wird das Virus dafür sorgen, dass der Bedarf an Büroflächen weiter zurückgeht – oder wird sich eher die Funktion der Büroräumlichkeiten ändern und neuen Anforderungen stellen müssen?

Unübersehbare Fakten
Die aktuellen Zahlen zur Entwicklung des Bürovermietungsmarktes und der Leerstandsquoten überraschen kaum: Der jüngste Büromarktüberblick von JLL konstatiert, dass im ersten Halbjahr 2020 die Bürovermietung in den Big 7 (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) gegenüber dem Vorjahresvolumen um über 36 Prozent zurückgegangen ist. Das Fazit lautet dort: „So lange kein Impfstoff verfügbar ist, werden wir uns an ein fragiles und volatiles Marktumfeld gewöhnen müssen.“

Überdies werden laut einer Studie von bulwiengesa mehr als 1,5 Millionen Quadratmeter Büromietfläche in den deutschen A-Städten später als geplant oder gar nicht gebaut und auf den Markt gebracht werden.

Die Leerstandsquoten sind bisher allerdings nur sehr moderat angestiegen – man rechnet mit circa 3,6 Prozent zum Ende des Jahres in den Big 7.

Ein Thema, mit dem sich viele Unternehmen in der aktuellen Lage beschäftigen, ist die Untervermietung von Räumen. Insbesondere wachstumsorientierte Unternehmen, die vor der Krise größere Flächen über ihren Bedarf hinaus gemietet haben, sehen Handlungsbedarf. Unterstützung bieten in dieser Situation einige Untervermietungsplattformen für Büroflächen, wie ShareDNC, ShareYourSpace, Setting, Localstoring oder Shquared. „Eine Airbnb-Welt für Gewerbe entsteht“, wie es die ImmobilienZeitung auf den Punkt bringt. Unternehmen können ihre ungenutzten Flächen darüber untervermieten, nicht nur komplette Stockwerke oder Büros, sondern ebenso einzelne Arbeitsplätze oder Konferenzräume, auch für sehr kurze Mietzeiten. Das schafft Flexibilität, da die Zukunft zunächst ungewiss ist: Wie wird sich das Verhältnis zur Arbeit im Firmenbüro entwickeln?

Katalysator für neue Bürokonzepte
Dass die Coronakrise ein starker Katalysator für alle Formen des Remote-Arbeitens ist, lässt sich nicht leugnen. Selbst hartnäckigen Homeoffice-Gegnern in den Chefetagen ist bewusst, dass auch nach der Erfindung eines Impfstoffs die Arbeitswelt nicht mehr so sein wird wie zuvor. Aber wie wird sie aussehen?

„Das Büro der Zukunft ist individuell, flexibel und ortsungebunden.“ Das ergab unter anderem eine breitangelegte unternehmensinterne Umfrage der Drees & Sommer-Gruppe, an der im Juli 2020 rund 1500 von 4000 Mitarbeitern teilgenommen haben. Rund 83 Prozent können sich inzwischen gut vorstellen, ein bis drei Tage pro Woche mobil oder von zu Hause aus zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund muss die Funktion des Arbeitsplatzes in den Firmenräumen neu überdacht werden. „Das Büro der Zukunft muss all das bieten, was das Homeoffice nicht oder nicht immer leisten kann: Konzentration, Kommunikation und Kooperation“, lautet die Konsequenz, kurzum: Es sollte ein Ort mit hoher Erlebnis- und Aufenthaltsqualität sein. Dies kann letztendlich sogar dazu führen, dass der Bedarf an Büroflächen wieder steigt. Eventuell befördert auch durch das Konzept von kleineren, zusätzlichen Co-Working-Spaces, in der sich Mitarbeiter aus der näheren Wohnumgebung zusammenfinden können.

Die Bürowelt der Zukunft
Es gibt inzwischen zahlreiche Ideen und Konzepte, wie die perfekte neue Arbeitswelt aussehen könnte: ein individueller Mix aus Office und Remote Working, intelligente Sharing-Konzepte, multifunktionale Raumlösungen und Gemeinschaftsräume, die Kommunikation und psychisches Wohlbefinden fördern. Aber es sind nicht die Räume allein, die sich ändern müssen. „Raumentwicklung und aktive Kulturentwicklung müssen gleichzeitig stattfinden. Die modernste Arbeitsumgebung nützt nichts, wenn sie die Unternehmenskultur nicht unterstützt. Das ist eine Erkenntnis aus den Evaluationen, die wir kürzlich durchgeführt haben“, meint Andreas Schubert, Geschäftsführer des international tätigen Forschungs- und Beratungsinstituts Great Place to Work. Ein Ergebnis, zu dem bereits 2019 auch die Studie „Transformation von Arbeitswelten“ des Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO kommt: Sie unterstreicht, dass eine transformationale Führung ein maßgeblicher Erfolgsfaktor für Veränderungen der Arbeitswelt im Unternehmen ist.

Man kann also davon ausgehen, dass Büroräume ihre kulturprägende, verbindende Funktion behalten werden und primär zu Orten der Kommunikation, der gemeinsamen Kreativität und der Konzentration werden. Vor dem Hintergrund der Möglichkeit zum mobilen Arbeiten gewinnt das Büroumfeld vielleicht sogar eine höhere Wertschätzung – wird von der Arbeitswelt zur Lebenswelt. Allerdings enthält der Weg in die neue Arbeitswelt noch einige Herausforderungen, gerade in den Bereichen Selbstverantwortung und Vertrauenskultur, die nicht auf architektonischer Ebene zu lösen sind.